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Der Status von Männern ist ein entscheidendes sexuelles Selektionskriterium, sagt der Biologe Kurt Kotrschal.

Foto: APA / Herbert Pfarrhofer

STANDARD: Was denken Sie sich als Verhaltensbiologe angesichts der sexuellen Verstrickungen mächtiger Männer wie Bill Clinton oder zuletzt General David Petraeus?

Kotrschal: Solche Einzelfälle kann man schwer generalisieren, zumal man im Fall von Petraeus die Motive nicht wirklich kennt. Die ganze Angelegenheit könnte ja auch ein Spionagefall sein. Aber zumindest dem Prinzip nach entspricht der Fall dem ganz klassischen Muster, das wir aus der Soziobiologie kennen.

STANDARD: Und das wäre?

Kotrschal: Grundsätzlich ist es eine soziobiologische Gesetzmäßigkeit, dass männlicher Status beim Menschen ein ganz entscheidendes sexuelles Selektionskriterium ist. Das kann man zwar von anderen Tierarten nicht allzu gut ableiten. Beim Menschen ist es aber eindeutig so, dass es eine Asymmetrie bei den Wahlkriterien zwischen Männern und Frauen gibt. Und ältere Männer werden für Frauen vor allem durch ihren hohen Status attraktiv, der wiederum mit Macht, Geld oder mit beidem verbunden ist.

STANDARD: Kann man da wirklich von einer Gesetzmäßigkeit sprechen?

Kotrschal: Es gibt für das menschliche Sozialverhalten nichts besser Belegtes als soziobiologische Theorien. Überall dort im Tierreich, wo die weibliche Seite mehr in individuelle Nachkommen investiert als die männliche, gibt es Konkurrenz, weil es entsprechend mehr "aktionsbereite" Männer als "aktionsbereite" Frauen gibt. Und eines der wichtigsten Konkurrenzmittel ist beim Menschen eben der Status.

STANDARD: Aber es gibt doch auch noch andere Gründe, warum Frauen Männer attraktiv finden?

Kotrschal: Klar, bei jüngeren Männern kommen noch andere Motive ins Spiel. Aber dass ältere Männer ihre Frauen stehen lassen und sich eine Jüngere suchen, das ist nichts Außergewöhnliches. Und je höher der Status der Männer ist, desto einfacher ist das für sie. Es gibt andererseits aber auch jüngere Frauen, die recht gezielt Männer mit höherem Status suchen.

STANDARD: Wie abgesichert ist das?

Kotrschal: Wenn man dazu genaue Zahlen haben will, empfehle ich, beim deutschen Anthropologen Eckart Voland in dessen Grundriss der Soziobiologie nachzuschlagen. Der hat die besten Datensätze und nimmt seine Daten auch nur von Menschen und nicht von anderen Tieren. Aber auch wir funktionieren nun einmal nach soziobiologischen Gesetzmäßigkeiten: Menschen begehen Seitensprünge, und auch Kindermorde kommen beim Menschen vor. Wir machen all das, was andere Säugetiere auch tun. Überraschend mag sein, dass da auch US-amerikanische Präsidenten und Generäle nicht aus dem Rahmen fallen.

STANDARD: Lassen sich die von Ihnen behaupteten Gesetzmäßigkeiten in allen Gesellschaften finden? Oder gibt es nicht doch große Unterschiede zwischen den verschiedenen Kulturkreisen?

Kotrschal: Die US-amerikanischen Moralverstellungen sind natürlich strenger als bei uns in Europa. Aber wie man sieht, ist das auch dort alles nur Fassade. Die Amerikaner haben zwar einerseits eine sehr viel rigidere Sexualmoral als wir, gleichzeitig aber eine boomende Pornoindustrie. Das ist das übliche Kompensationsmuster. Es ist zwar ein anderer Kulturkreis, aber die Grundprinzipien bleiben die gleichen. (Klaus Taschwer/DER STANDARD, 17./18. 11. 2012)/