In dieser Woche streikten Millionen von Arbeitnehmern gegen die Sparmaßnahmen in den Euroländern. Sie verlangten ein Ende der " selbstmörderischen Sparpolitik". Aber die Sparpolitik war - auch - notwendig, weil vorher mächtige Gruppen die Staatsausgaben und die Schulden ins Untragbare getrieben hatten.

Der auch im deutschsprachigen Raum bekannte griechische (Krimi-)Autor Petros Markaris hat einmal von der "Partei des Molochs" in seinem Land gesprochen: "Sie rekrutiert sich aus dem griechischen Staatsapparat und seinen Betrieben (...) Die Partei des Molochs ist der außerparlamentarische Arm der jeweiligen Regierungspartei und der Garant des Klientelsystems."

Laut Markaris haben "alle Regierungen an diesen Seilschaften geknüpft, bis in die ersten Monate der Krise hinein. Es gab ja genug Geld dank der Subventionen aus der EWG und später der EU. Wenn das Geld nicht mehr reichte, stopfte man die Löcher mit Krediten. Doch die meisten Parteimitglieder im Staatsapparat arbeiten nie oder tun nur das Allernotwendigste."

Und wenn sie das nicht tun, muss man ergänzen, dann rufen sie " Generalstreiks" aus und halten Demonstrationen ab, bei denen Merkel in SS-Uniform gezeigt wird. Markaris: "Alle früheren Streiks waren keine Generalstreiks, sondern sie wurden von der Gewerkschaft nur als solche proklamiert. Es waren Streiks der privilegierten Arbeitnehmer in den öffentlichen Diensten."

Viele von diesen Privilegierten haben inzwischen Gehalts-und Pensionskürzungen hinnehmen müssen. Aber sie leben noch immer vergleichsweise gut, im Unterschied zu den kleinen Angestellten und Geschäftsleuten, die oft überhaupt kein Einkommen mehr haben. Diese " Partei der Märtyrer", wie Markaris sie nennt, wird zerrieben zwischen der steuerhinterziehenden Oberschicht (orthodoxe Kirche inklusive) und dem aufgeblähten Staatsapparat.

Wobei die Jugendarbeitslosigkeit, die den wahren Skandal in (Süd-)Europa darstellt, durch genau diese Zustände verursacht wird: Wenn, wie in Spanien, Italien und Griechenland, Mitarbeiter praktisch unkündbar sind, werden keine neuen, jungen aufgenommen. Mittel- und längerfristig wird man in Griechenland, in Spanien, in Portugal (und wohl auch beim nächsten Wackelkandidaten Frankreich) das riesige Wachstumshemmnis namens parteipolitisch durchsetzten Klientelismus reformieren (=abbauen) müssen. Allerdings: Kürzen geht jetzt nicht mehr. Die "Partei der Märtyrer" muss wieder eine Chance bekommen, indem man Investitionsmittel wieder in den produktiven Sektor, in die kleinen Betriebe, Dienstleister etc. umleitet.

Gleichzeitig müssen die solventen Länder die Schulden streichen, zunächst die von Griechenland. Das wird auch den österreichischen Steuerzahler treffen. Zweitens heißt es, dass der Weltwährungsfonds und die EU Investitionsmittel für einen Neuaufbau der Wirtschaft dieser Länder bereitstellen müssen. Die Griechen und die anderen werden aber die "Partei des Molochs" entmachten müssen. (Hans Rauscher, DER STANDARD, 17.11.2012)