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Stronach und die Presse: Eine Frage der Autorisierung.

Foto: dapd/Leodolter, montage: derStandard.at

Auf Facebook und Twitter hat das Thema #Stronach sofort eingeschlagen. Das Monatsmagazin Datum hat eine "Erklärung" veröffentlicht, deren Unterzeichnung Frank Stronach vor einer Interviewzusage verlangt hat.

Die Datum-Redaktion wollte die "Zensurerklärung" nicht unterschreiben. Denn das sei "ein Vorgang, den man so nur aus totalitären Staaten kennt."

Was hier verlangt wurde, war tatsächlich unerhört: "Ich schicke auch Titel und Einleitung zur etwaigen Richtigstellung von Fakten zu", sollten Journalist/inn/en garantieren. Also nicht nur das Gesagte, sondern auch die Kontextualisierung wollte das "Team Stronach" kontrollieren, bevor es auf Grund des medialen Drucks diese Passage entfernte.

Und weiter sollten die Interviewer versichern: "Falls die Autorisierung des Interviews nicht erteilt wird, werde ich weder den Umstand des Interviews noch das Gespräch ganz oder auszugsweise veröffentlichen."

Das sei, so Medienanwältin Maria Windhager, "natürlich im demokratischen, politischen Diskurs ein Eingriff in die Meinungsfreiheit und insofern auch eine Form von Zensur."

Soweit, so klar. Kontrolle von Titel und Vorspann, das schockierte alle. Und dass der "Umstand des Interviews" ganz verschwiegen werden sollte, regt zu Recht auf.

Doch die grundsätzliche Frage nach der Sinnhaftigkeit und Legitimität der Autorisierung von Interviews wird verharmlost. Es stehe doch – so Kommentare auf Facebook "... jedem Interviewten zu, bei Misinterpretation das Interview korrigieren zu koennen" (sic), und Peter Rabl meint:

Ist also das Autorisieren an sich eh okay? Das Datum-Interview wäre ein guter Anlass, darüber eine grundsätzliche Debatte zu führen. Ich meine, dass es Kern des Übels ist: "Part of the problem is that the syndrome is infectious. Knowing how their political superiors manage these things, middle-ranking interviewees in sundry areas ofpolitics and the economy now commonly demand similar rights of prior vetting of comments before publication", schreibt dazu der Guardian anlässlich eines Vergleichs der angloamerikanischen und deutschsprachigen Interview-Kulturen.

Was im (deklarierten) Rahmen eines Interviews gesagt wird, wird gesagt und ist damit zitabel. Der österreichische Ehrenkodex äußert sich dazu nicht, aber im Pressekodex der deutschen Presse ist festgehalten, dass die Autorisierung aus presseethischer Sicht nicht zwingend ist: "Ein Wortlautinterview ist auf jeden Fall journalistisch korrekt, wenn es das Gesagte richtig wiedergibt."

Diese Passage ist wohl auch deswegen in den Richtlinien des deutschen Presserats zu finden, weil Autorisierung in Deutschland üblich ist (sogar in Lehrbüchern S. 21f). Schließlich braucht man den Interviewpartner ja vielleicht wieder mal. Und es gibt "angesichts wechselseitiger Abhängigkeiten und komplementärer Interessen keine einfachen Lösungen."

Der Spiegel argumentiert gar, dass das Autorisieren notwendig sei. Weil der Transfer von der gesprochenen zur verschriftlichten Sprache so komplex sei, dass dies der Journalist/die Journalistin gar nicht allein schaffen könne.

Da führt sich ein Beruf selbst ad absurdum. Natürlich ist es einfacher, mit einem Sicherheitsnetz zu arbeiten und den Interviewten vielleicht gleich am besten das Interview selbst redigieren zu lassen.

Professioneller Journalismus jedoch muss in der Lage sein, Interviews aufzuzeichnen und sorgfältig zu bearbeiten, muss Gesagtes gewissenhaft in geschriebene Form bringen können. Und das ohne Autorisierung. Ausnahmen gibt es natürlich.

Selbst die New York Times, die vor einigen Wochen angekündigt hat, das "quote approval" nun besonders rigid zu handhaben, erlaubt in Ausnahmefällen Autorisierung in Rücksprache mit der Chefredaktion. Aber üblich ist es in den USA nicht. Jeff Jarvis schreibt im Guardian empört: "I was taught never to give sources or subjects approval – or any detailed foreknowledge – of what we were to publish. To do so would have been a gross violation of professional ethics."

Da wäre es schon angemessen, wenn wir hier zumindest offen darüber diskutieren würden. Großartig, dass Datum das einzig Mögliche getan hat: Das Zensuranliegen des Team Stronach zu publizieren. (Daniela Kraus, derStandard.at, 17.11.2012)

PS Peter Laufer, Journalist und Professor an der University of Oregon, hielt im Frühjahr einen Interview-Kurs in Wien. Damals staunte er über den österreichischen Zugang zur Autorisierungsfrage. Nun warnt er davor, dass Journalisten die Stenografen der Politiker werden:
"Journalists make compromises with sources all the time. We must. We'll agree, for example, to talk with a newsmaker 'off the record' in order to develop facts about a story. But news sources who demand that reporters obtain quote approval must be rejected by us reporters -- even if we miss out on a few interviews. Such prior restraint turns journalists into stenographers. If we ignore those who arrogantly try to make us sign bizarre contracts such as the document Frank Stronach is distributing, the egos of the Stronachs of the world will whither. They need us more than we need them. They live to see their names and words spread by the news media. If we all rip up his contract, Herr Stronach will change his mind faster than his horse Ghostzapper sires thoroughbred progeny."