Zwei Selbstmorde binnen knapp zweier Wochen hat es gebraucht. Danach begab sich Spaniens konservative Regierung auf Lösungssuche in puncto Zwangsräumungen zahlungsunfähiger Hypothekenkreditnehmer.

Zu spät. Im "Post-Immobilienblasen-Spanien" protestieren seit Mai 2011 Mitglieder der Bewegung der "Empörten" gegen das sich stetig verschärfende soziale Drama. Über Sozialnetzwerke organisierten sie zig spontane Sitzstreiks, um Polizisten den Zutritt zu Räumungsobjekten zu verwehren. Ihr Einsatz war oft von Erfolg gekrönt.

Mit der im Eiltempo beschlossenen Reform suchten die gewählten Interessenvertreter der Bürger einmal mehr den schier unmöglichen Spagat zwischen dem Schutz der Bankaktiva und dem Wohlergehen der Bevölkerung. Das Moratorium auf neue Räumungsverfahren über zwei Jahre hilft zwar Familien mit Kleinkindern oder mit Niedrigeinkommen bis 19.000 Euro, die aktuell ihre Raten nicht bezahlen - jenen knapp 400.000 Familien, die seit 2007 ihr Dach über dem Kopf verloren, bringt es aber nicht das Geringste. Tote macht es sowieso nicht wieder lebendig.

Zumindest reagierte die Regierung in Madrid aber auf die steigende Wut und das Unverständnis der Gesellschaft und scheint sich dessen bewusst, was Suizide bewirken können. Die Selbstverbrennung Mohamed Bouazizis am 17. Dezember 2010 in Tunesien trat eine unkontrollierbare Kettenreaktion los, die zur Revolution führte. (Jan Marot, DER STANDARD, 19.11.2012)