Wien - Sozialminister und Ex-ÖGB-Präsident Rudolf Hundstorfer (SPÖ) hat am Montag, beim Schadenersatz-Prozess der zum ÖGB gehörenden AVB Holding gegen Ex-ÖGB-Präsident Fritz Verzetnitsch und sechs frühere BAWAG-Manager als Zeuge am Handelsgericht Wien ausgesagt. Hundstorfer erklärte, dass er im Zuge der Aufarbeitung des BAWAG-Skandals über die umstrittene Wertpapiertransaktion erfahren habe, bei der über eine Stiftungskonstruktion in die klagende AVB faule Wertpapiere verschoben worden sind. Durch diesen Deal mit der BAWAG sieht sich die AVB geschädigt und klagt auf 10 Mio. Euro Schadenersatz.

Hintergrund für den zivilrechtlichen Prozess am Handelsgericht Wien ist eine komplizierte Wertpapiertransaktion im Jahr 2005 im Ausmaß von 670 Mio. Euro, kurz nach der Fusion der BAWAG mit ihrer Tochter P.S.K., bei der faule Wertpapiere von der Bank zu ihrer zuvor abgespaltenen BAWAG-Mutter, der heutigen AVB Holding, verschoben wurden. Dadurch soll der AVB ein behaupteter Schaden (im Prozess oft als "Lücke" tituliert, Anm.) von rund 270 bzw. 280 Mio. Euro entstanden sein.

Wer was wusste

Hundstorfer erfuhr im März 2006 die ganze Tragweite der Probleme bei der BAWAG, sagte er heute aus. Dazu zählte er unter anderem die Verluste des Spekulanten Wolfgang Flöttl. Er habe "Step by Step" seinen Wissenstand erweitert, etwa über die drei Stiftungen in Liechtenstein, wo die umstrittenen faulen Wertpapiere geparkt waren. Im Zuge der Aufarbeitung war für den Ex-ÖGB-Präsidenten immer klar, dass der damalige BAWAG-Vorstand involviert war. Der ebenfalls beklagte Ex-BAWAG-Chef Elsner war damals Vorstand in einer Stiftungskonstruktion, so Hundstorfer. Er gehe auch davon aus, dass Verzetnitsch und der Ex-ÖGB-Finanzchef und BAWAG-Aufsichtsratschef Günter Weninger Kenntnis von den Vorgängen damals hatten.

Kurz bevor er, Hundstorfer, "geschäftsführender ÖGB-Präsident" im März 2006 geworden war, habe es mehrere Gesprächsrunden im ÖGB-Gremium gegeben, bei denen über die Probleme gesprochen wurde, etwa über die "alten" ÖGB-Haftungen aus dem Jahr 2001, grobe Überblicke über die Karibik-Geschäfte Flöttls und das Refco-Debakel, so Hundstorfer heute.

Der beklagte Verzetnitsch ist am 27. März 2006 mit sofortiger Wirkung von der ÖGB-Spitze zurückgetreten, interimistisch übernahm damals der heutige Sozialminister das Amt des ÖGB-Präsidenten, in dem er auch bestätigt wurde. Im November 2008 wurde Hundstorfer in die Regierung von Bundeskanzler Werner Faymann (S) als Sozialminister geholt.

Das Vertrauen der ÖGB-Präsidiumsmitglieder war in den Gesprächsrunden im März 2006 "angeknackst", schilderte Hundstorfer heute. Außer Verzetnitsch und Weninger habe aber niemand etwas gewusst, war Hundstorfers Resümee daraus. Die damaligen Gespräche im ÖGB beschrieb er als "äußerst emotional", bei denen "sehr schwierig zu verdauende" Informationen mitgeteilt wurden.

Blankes Entsetzen

Es habe auch Vorwürfe gegeben, der Kernvorwurf war, dass so viel am Spiel stünde. Es herrschte damals "das blanke Entsetzen", wie so etwas geschehen konnte. Die Abgabe der ÖGB-Haftungen für die BAWAG im Jahr 2001, damit die Bank überhaupt bilanzieren konnte, war kein statutenkonformes Vorgehen, so Hundstorfer heute, der Ende April 2006 seinen Vorgänger Verzetnitsch fristlos entlassen hatte.

Ein Ergebnis der März-Gespräche war, dass der ebenfalls beklagte Ex-BAWAG-Chef Elsner seine Vorstandsfunktion in der ÖGB-Stiftung sofort räumen musste und neue ÖGB-Haftungen für die Bank beschlossen wurden. Dabei sei es letztlich darum gegangen, den ÖGB abzusichern, so Hundstorfer. Bevor die Probleme um den Refco-Blitzkredit öffentlich geworden waren, hatte der ÖGB rund 1,3 Mio. Mitglieder, danach verließen rund 70.000 den Gewerkschaftsbund.

Wenig auskunftsfreudig war Hundstorfer über die ÖGB-Überlegungen zum Verkaufspreis für die BAWAG. Es habe ÖGB-Verbindlichkeiten von 2 bis 3 Mrd. Euro gegeben. An Details erinnerte sich Hundstorfer heute aber nicht. Es war nicht einfach, eine Bank mit medialer Musik zu verkaufen, schilderte der Sozialminister heute dem dreiköpfigen Richtersenat unter Vorsitz von Kerstin Just.

Die BayernLB sei sehr erbost darüber gewesen, dass sie beim Verkauf der BAWAG im Jahr 2007 nicht zum Zug gekommen war, berichtete Hundstorfer. Entgegen den Vereinbarungen wurde der BayernLB-Kredit mit einem Umfang von ca. 400 Mio. Euro dem ÖGB frühzeitig fällig gestellt. Die BAWAG wurde letztendlich an den US-Fonds Cerberus verkauft. (APA, 19.11.2012)