STANDARD: Maja Haderlap und Peter Handke zogen das Leid einer Minderheit in Kärnten aus dem politischen Hickhack und liehen den der Sprache Beraubten ihre Stimme. Hat "Denk Mal: Deportation!" eine ähnliche Intention?

Valentin Oman: Dies ist für mich keine Ausstellung im herkömmlichen Sinn. Es handelt sich um einen speziellen Ort, den wir mit einem besonderen Inhalt konfrontieren. Es war meine Intention, einen Rahmen zu schaffen, der den Inhalt der Deportation der slowenischen Volksgruppe durch die Nationalsozialisten stärker zur Geltung kommen lässt.

STANDARD: Das Bergbaumuseum sorgt wegen seiner NS-Punzierung und zuletzt mit einer Schau voll mit Familienfotos und einem Video vom Kärntnerlied-singenden Jörg Haider für Aufregung. Kann man so einen Raum künstlerisch besetzen?

Karl Vouk: Wir haben uns im Vorfeld ernsthaft damit auseinandergesetzt, ob wir ihn überhaupt bespielen können. Die Stollen wurden auf Geheiß Hitlers von englischen Kriegsgefangenen gegraben, die Kapitulation Hitlerdeutschlands wurde von hier aus verkündet, und zuletzt wurde hier Jörg Haider verklärt. Meine Bilder sind ein visuelles Echo auf diesen historischen Topos. Ich zitiere bildnerisch aus den Schriften von Heimrad Becker, voll mit schauderhaften Aufzeichnungen der Gestapo. Der andere Blickwinkel zeigt Zitate aus Briefen meiner deportierten Verwandtschaft, die ihrer Heimat, ihrer Sprache und ihres Lebens beraubt wurden.

Oman: Ich habe zwischen meine Bildgestalten leere Leinwandflächen gehängt, die die Aura der Vergessenen vermitteln sollen. Das Mahnmal am Bahnhof in Ebenthal, dem gemeinsamen Ausgang der Vertreibung der Kärntner Slowenen, soll ein Symbol der Zertrümmerung der slowenischen Sprache sein.

STANDARD: Somit hatte die Deportation der über 200 slowenischen Familien auch Auswirkung auf jene, die zu Hause bleiben durften, wie die Volkszählungsergebnisse nach dem Krieg belegen. Warum verzichteten die Volksgruppenangehörigen auf die Weitergabe ihrer Sprache und Kultur?

Oman: Diese Idee "Kärntner, sprich Deutsch!" ist unterschwellig nach wie vor spürbar.

Vouk: Die Kernidee des Generalplans Ost war, dass alles Slawische aus Zentraleuropa weichen sollte. Geplant war der Tod durch Arbeit, so wollte man Gas und Kugel sparen. In diesem historischen Kontext wird das Entsetzen verständlich, wenn der hiesige Volkskultur-Landesrat verlautet, dass die Kärntner Slowenen keine richtigen Kärntner seien. Noch vor ein paar Jahren ließ Haider in allen Kärntner Tageszeitungen inserieren: "Kärnten wird einsprachig!" Solche Aussagen lassen alte Geister auferstehen und sind für die Assimilation verantwortlich.

STANDARD: Wo sehen Sie sich im Spannungsfeld zwischen "L'art pour l'art" und gesellschaftlich engagierter Kunst?

Vouk: Wie jeder Künstler die freie Wahl der zu verwendenden Farben hat, bewege ich mich auch thematisch frei. Marko Kosan aus Slovenj Gradec hat mich für die Reihe "public speach" eingeladen, die Kärntner Triptychen zu präsentieren. Da produzierte ich sozusagen Anlassmalerei, eine Reflexion auf das vor dem Gurker Dom aufgestellte Denkmal, mit den sich " rein"waschenden Händen. Ich nehme mir die Freiheit, engagiert zu sein, und setze mich mit Mythen auseinander, die ganz offensichtlich den Alltag durchfluten. Mir bereitet die malerische Dekonstruktion und neues Branding, um Entgleisungen sichtbar zu machen, große Freude.

Oman: In meiner Arbeit ist an und für sich für aktuelle Regionalpolitik kein Platz. Persönlich habe ich jedoch auf Angriffe, wie zum Beispiel die Situation rund um die zweisprachigen Ortstafeln, auch künstlerisch reagiert, indem ich die Dolmetscherkoje der Alpen-Adria-Universität mit zweisprachigen Ortsnamen beschriftete. Ich glaube, beides ist zulässig. Wobei ich nie nur, wie viele Kollegen, "L'art pour l'art" mache. Ein bestimmtes Thema ist immer im Hinterkopf, was dann oft vordergründig nicht zu erkennen ist, aber dechiffriert werden will.

Vouk: Dazu fällt mir deine 14-jährige - lapidar formuliert - Absenz im Ausstellungsbetrieb ein. Haider hat dich ja seinerzeit aufgefordert, das Land zu verlassen, sollte es dir hier nicht passen. Du hast daraufhin eine leere Fläche geschaffen, indem du 14 Jahre nicht mehr in Kärnten präsent warst. Das war sehr beeindruckend.

Oman: Vielleicht war das naiv, aber für mich hat es gestimmt. Gewünscht hätte ich mir, dass sich mehr Menschen von der Kärntner Politik verabschiedet hätten. Ich hätte nicht gedacht, dass ich noch jemals hier ausstellen werde.

Vouk: In diesem Sinne glaube ich, diese Aufforderung, das Land zu verlassen, kam von rechts, und die heutige Ausstellung ist die Antwort von links. (Sabina Zwitter, 20.11.2012)