Maler, Musiker, Künstler, Alpinist und Entdeckungsreisender am Fahrrad: In Helene Maimanns "kreuz und quer"-Doku erinnert sich Arik Brauer an seine "Jugend in Wien".

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Wien - An seinen ersten Kuss erinnert sich Arik Brauer gut: Schon in der Schule ist er verliebt in Lizzy, klare, große, Augen, blonde Zöpfe, vom Klassenfoto strahlt ein offenes Lachen entgegen. Verliebtheit gilt unter den Buben in dem Alter als furchtbar unmännlich, daran hält sich auch Brauer und schießt mit Gummiringerln auf die Verehrte. Mit 15 trifft er Lizzy wieder, jetzt im Sammellager für jüdische Auswanderer in der Wiener Malzgasse. Im lebensgefährlichen Umfeld finden sich ihre Herzen: Er gesteht ihr, sie ihm - der Kuss, den man nicht vergisst. "Ich bin sicher, dass es für sie auch der letzte war", schließt Brauer: Kurze Zeit später wird Lizzy deportiert und in einem Getto in Südpolen mit Genickschuss ermordet.

Es gehört zum Wesen des 83-jährigen Künstlers, dass er traumatisierende Erlebnisse dieser Art in Helene Maimanns Porträt "Arik Brauer. Eine Jugend in Wien" Dienstag, 22.30 Uhr in kreuz & quer, im selben Schwung erzählt, wie er am Fahrrad durch den Prater flitzt oder zu Fuß auf die Rax sprintet: "Ewig jugendliches Springinkerl", nennt ihn der Schriftsteller Doron Rabinovici.

Mit Timna beim Picknick

Die Verve nimmt Maimann auf und verquickt mit Stadtspaziergängen, Liedproben und Archivaufnahmen die persönliche Biografie zu einem vielschichtigen Stück Wiener Zeitgeschichte. Mit Tochter Timna erinnert er sich beim Picknick, mit Ruth besucht er das Haus seiner Kindheit in Ottakring. Vieles in der ehemaligen Brauer-Wohnung ist überraschend unverändert. Der Künstler erzählt von skurrilen Figuren der Zeit, von " Froschermandl" und "Spiritus", die später in Liedern und Bildern verewigt wurden.

Die Nazizeit überlebte Brauer als Jude in Wien, eingesetzt als Tischler. Im Februar 1945 war klar, dass er bald abtransportiert werden sollte. Brauer versteckte sich im Schrebergarten eines Freundes. Zu Kriegsende wog er kaum 40 Kilo. Aber das war unwichtig. Mit jungen Leuten zusammen zu sein und zu glauben, jetzt käme eine bessere Welt, war die Verheißung: "Ich war besessen von meiner Freiheit." Es kam anders, doch der Weg zur Kunst war selbstverständlich, Arik Brauer schlug auch ihn zügig ein. (Doris Priesching, DER STANDARD, 20.11.2012)