Belgrad/Zagreb/Den Haag - Die serbische Vizeministerpräsidentin Suzana Grubjesic hat einen für den 27. November geplanten Besuch in der kroatischen Hauptstadt Zagreb abgesagt. Dazu kam es nach den Freisprüchen für die kroatischen Ex-Generäle Ante Gotovina und Mladan Markac vor dem UNO-Kriegsverbrechertribunal für Ex-Jugoslawien (ICTY) vorige Woche. Derzeit sei es weder an der Zeit noch gebe es die passende Gelegenheit und Stimmung für einen Besuch, sagte Grubjesic der staatlichen, serbischen Agentur Tanjug. Gotovina forderte unterdessen die aus Kroatien im Krieg vertriebenen und geflohenen Serben auf, in ihre frühere Heimat zurückzukehren.

In Zagreb war die Verlängerung eines bilateralen Protokolls zwischen Serbien und Kroatien über die Zusammenarbeit bei der Integration in die Europäische Union geplant, das 2009 abgeschlossen wurde und im März 2013 ausläuft. Angesichts des Urteils des UNO-Tribunals wäre es laut Grubjesic "sinnlos", nach Zagreb zu reisen und das Protokoll zu verlängern.

Die in der Belgrader Regierung für die EU-Annäherung zuständige Vizeministerpräsidentin versicherte zugleich, dass die EU-Annäherung Serbiens durch die Freisprüche nicht infrage gestellt sei. Medien spekulierten am Wochenende, dass die derzeit bei 48 Prozent liegende Unterstützung im Land für die EU-Eingliederung nach dem ICTY-Urteil weiter sinken dürfte.

Ministerpräsident Ivica Dacic meinte am Montag, dass die Freisprüche auch die Position Serbiens vor dem Internationalen Gerichtshof (IGH) "stark" geschwächt hätten. Dort laufen Verfahren nach gegenseitigen Völkermord-Klagen Kroatiens und Serbiens. Kroatien werde nun wahrscheinlich nicht mehr einen gemeinsamen Verzicht auf die Klagen in Erwägung ziehen, so Dacic.

Ein möglicher Freispruch auch für den früheren kosovarischen Ministerpräsidenten Ramush Haradinaj würde laut dem Premier die auf die regionale Versöhnung ausgerichtete Politik Serbiens mit Gewissheit erschweren. Das UNO-Kriegsverbrechertribunal soll Ende November das Urteil in dem Wiederholungsprozess gegen Haradinaj sprechen.

Gotovina erklärte unterdessen im Gespräch mit dem Belgrader Boulevardblatt "Kurir", dass die Serben "nach Kroatien zurückkehren müssen, da dies ihre Heimat" sei. "Sie sind Bürger Kroatiens. Es ist ihre Heimat, wie sie auch die meine ist, dort ist ihr Heim. Mir gehört sie nicht mehr als ihnen", sagte Gotovina. In Serbien hatten die Freisprüche für Empörung gesorgt und auch Proteste nationalistischer Gruppen nach sich gezogen.

In erster Instanz waren Gotovina und Markac von den UNO-Richtern wegen Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Kroatien-Krieg beim Zerfall Jugoslawiens (1991-95) zu 24 und 18 Jahren Haft verurteilt worden. Gotovina war Befehlshaber der Operation "Sturm", bei der kroatische Armee-Einheiten 1995 die von Serben bewohnte Region Krajina zurückeroberten. Hunderte Serben wurden getötet, mehr als 200.000 weitere vertrieben. Im Urteil vom Freitag hieß es, die Entscheidung der ersten Instanz sei auf einer "fehlerhaften" Grundlage erfolgt. (APA, 19.11.2012)