Mit ihren Winkelzügen und Wahlschiebereien bietet Frankreichs Rechte wieder einmal das klägliche Bild einer zutiefst zerstrittenen Partei - und das Land mit dem ach so hohen Zivilisationsanspruch offenbart einmal mehr das bedenklich tiefe Niveau seiner Parteipolitik. Die Franzosen sind nicht wirklich erstaunt, denn in Paris dienten die Parteien noch nie ihren Mitgliedern und Wählern, sondern ihren Anführern. Deren persönliche Karriere heiligt alle Mittel. Dass Jean-François Copé seinen Sieg erklärte, noch bevor die Parteizentrale alle Teilresultate erhalten hatte, erinnerte das Wochenmagazin L'Express an Napoleons Staatsstreich von 1799.

Vor allem die französische Rechte hält diese bonapartistische Haudegen-Politik bis heute hoch: Auch Nicolas Sarkozy lebte fünf Jahre lang so. Copé ist ebenso agil und schlagfertig - und so handstreichartig, wie sein Vorbild einst die UMP eroberte, sucht nun auch Copé die Stufen auf dem Weg in den Élysée-Palast hinaufzuklettern.

Auf der Strecke bleibt der - auch im Stil - konservativ bedächtige Fillon, der auf Anstand setzt und in Umfragen anfangs klarer Favorit war. Der klassische Gaullist sozialliberaler Prägung wurde von Copés aggressiver Wahlkampagne geradezu überfahren und hätte es in jedem Fall schwer gegen Copé und Sarkozy, der jetzt wohl auf ein Comeback hofft. Die Medienpopulisten, diese heutigen Bonapartisten, geben den Ton vor - und das ist bedenklich. (Stefan Brändle, DER STANDARD, 20.11.2012)