Wer heiratet, heiratet in seltenen Fällen einen einzelnen Menschen. In eine Familie einheiraten heißt das landläufig und erinnert mich ans Marmeladeeinkochen, wo alles zu einer breiigen Masse verschmilzt. Einheiraten ist keine Einbahnstraße, denn der eine Partner heiratet ja in die andere Familie ein und umgekehrt. Was unterm Strich dabei herauskommt, ist auch eine Art Patchwork (und das schon vor einer Scheidung), das nach einer Scheidung oft wieder in seine Einzelteile zerfällt. Schade, schade, Marmelade!

Meine Mutter hielt immer (nie ganz friktionsfrei, aber beständig) den Kontakt zu ihrer Schwiegermutter (meiner Großmutter), auch als diese schon längst ihre Ex-Schwiegermutter war. Das ist bis heute so geblieben. Mit über 90 Jahren ist es auch nicht mehr so wichtig, wer dann bei einem sitzt, ob Ex-Schwiegertochter Nummer eins, Nummer zwei oder Schwiegertochter Nummer drei. Hauptsache, es kommt noch Besuch, der einem die Hand hält. Meiner Mutter bin ich bis heute dankbar, dass sie mir diesen Kontakt zur Mutter meines Vaters niemals untersagt und keine Sekunde meines Lebens erschwert hat.

Denn auch das kommt vor. Leider. Wer sich scheiden lässt, der lässt sich in seltenen Fällen von einem einzelnen Menschen scheiden. Meistens werden Eltern und Großeltern, Geschwister, Onkel und Tanten in den Scheidungsprozess einbezogen und Schwiegerväter zu Ex-Schwiegervätern und so weiter und so fort. Für getrennte Eheleute mag dieses Auseinanderdividieren der eigenen Sippen Sinn machen. Für Kinder niemals. Großeltern sind in vielen Familien ein Stabilitätsfaktor, nicht nur in puncto Kinderbetreuung und nicht nur in Krisenzeiten, aber da hoffentlich umso mehr.

Eine Familie ist wie ein Mobile, habe ich unlängst gelesen, und dieses Bild gefällt mir: empfindliche Gebilde, um Gleichgewicht ringend, eine wabernde Masse mit Teilen, die abfallen, und anderen, die dazukommen (Neo-Schwiegermütter etcetera). Immer öfter kommt so ein Patchwork zum anderen Patchwork. Alles Familie, irgendwie. "Zerrüttet", hat ein Freund mir geantwortet auf die Frage nach seinen Familienverhältnissen. "Zerrüttet, aber behütet!" (Mia Eidlhuber, derStandard.at, 7.4.2013)