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Die Eurorettung wird im deutschen Bundestagswahlkampf eine entscheidende Rolle spielen. Bisher hat die SPD den Kurs von Bundeskanzlerin Angela Merkel bei Abstimmungen unterstützt.

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Neulich im Bundestag: "Ich will deinen Job!" Doch Merkels Lächeln Richtung Steinbrück spricht Bände.

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In der SPD hat ein Schauermärchen derzeit Konjunktur, und das geht so: Am 9. Dezember, wenn Peer Steinbrück vom Sonderparteitag offiziell zum Kanzlerkandidaten gewählt werden soll, wird der Kandidat natürlich zuerst eine große Rede halten. Er wird selbstverständlich über soziale Gerechtigkeit sprechen. Und dann schreit einer aus der Menge nur ein Wort: "Bochum!"

Bochum, Ruhrmetropole mit 373.000 Einwohnern, ist zum Synonym für die Schieflage Steinbrücks geworden. Als einfacher Bundestagsabgeordneter hat er in der SPD-regierten, finanzschwachen Kommune bei den Stadtwerken einen Vortrag gehalten und dafür 25.000 Euro kassiert.

Andere taten das ebenfalls, es wurde auch alles korrekt verbucht. Und dennoch: Steinbrück ist der Einzige, der jetzt ein Problem hat. Kann einer, der seit 2009 fast zwei Millionen Euro an Honoraren eingenommen hat, überhaupt vermitteln, dass er die Lebenswelt der sozial Schwachen auch wirklich versteht? Das bewegt die SPD.

Vom "Fehlstart" des Kandidaten ist die Rede, das anfängliche Interesse an seiner Nominierung ist längst wieder verpufft. Schon ist die SPD wieder dort, wo sie in den vergangenen Jahren auch lag: bei mageren 26 Prozent.

Dabei hatten es sich die Sozialdemokraten so schön vorgestellt. Die schwarz-gelbe Koalition, die 2009 als Dreamteam antrat, aber niemals eines wurde, ist am Ende und bei den Deutschen extrem unbeliebt. Da sollte es ein leichtes sein, auf Attacke zu schalten, um Angela Merkel im Herbst 2013 das Kanzleramt abzunehmen - noch dazu mit einem wie Steinbrück, der sich selbst als angriffslustiges "Nashorn" sieht.

Steinbrück selbstkritisch

Aber jetzt eben: Bochum. "Es wird schwierig, die 25.000 Euro einer alleinerziehenden Krankenschwester mit 1000 Euro Einkommen zu erklären", räumt Steinbrück diese Woche im Spiegel ein.

Und Bochum ist zudem nicht Steinbrücks einziges Problem. 1998, als der Sozialdemokrat Gerhard Schröder aus Hannover auszog, um das Kanzleramt zu erobern, da regierte in Deutschland (unter Helmut Kohl) auch ein Bündnis aus CDU/CSU und FDP. Aber damals herrschte Wechselstimmung. "Kohl muss weg", skandierte man landauf, landab.

Von "Merkel muss weg" ist jedoch 15 Jahre später nichts zu hören. Im Gegenteil: Die deutsche Kanzlerin mit ihrer unaufgeregten und pragmatischen Art ist äußerst populär. "Sie hat sich als eine Art Übermutter positioniert, die den Deutschen vermittelt, dass sie sie vor allem Bösen beschützt", sagt der Berliner Politologe Gero Neugebauer zum Standard.

Deutschland ist bis jetzt gut durch die Euro- und Schuldenkrise gekommen, die Arbeitslosenzahlen sind niedrig, die Preise stabil, 2014 soll der Haushalt ausgeglichen sein. Den Frust, der Schwarz-Gelb entgegenschlägt, bekommt fast ausschließlich die FDP ab, die in Umfragen nicht und nicht in die Höhe kommt. Merkel hingegen thront als Eurokrisenmanagerin über dem innenpolitischen Gezänk.

Mit Steinbrück befasst sie sich offiziell gar nicht, sie lässt ihn einfach auflaufen. Beim ersten großen Rededuell der beiden im Bundestag - es ging natürlich wieder um die Eurokrise - erklärte Merkel, sie wolle "einfach mal Danke sagen", weil die Opposition die Rettungsmaßnahmen immer so brav mitgetragen habe.

"Man kann Steinbrück eigentlich nur raten: Du hast keine Chance, also nutze sie", sagt Neugebauer. Sonst könnte alles auf eine neuerliche große Koalition unter Merkels Führung zulaufen. Das jedoch wäre Steinbrücks Karriereende. Denn er selbst hat schon verkündet: "Peer Steinbrück wird nie wieder in einem Kabinett von Frau Merkel zu finden sein." (Birgit Baumann, DER STANDARD, 21.11.2012)