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Alte Donauim kommenden Sommer Badegäste darauf gefasst machen, dass sie befragt und beprobt werden.

Foto: APA/Gindl

Sie sind winzig klein, hochreaktiv und dabei ziemlich hartnäckig. Und sie sind überall: Nanopartikel finden sich in Farben und Lacken, Kosmetika, Textilien, Papier, Kunststoffen und in Lebensmitteln. Und sie sind gar nicht so neu: Schon seit den 1990ern wird etwa Titandioxid - nanokleine Verbindungen auf Basis des Metalls Titan - in Sonnenschutzmitteln als UV-Filter eingesetzt.

Titandioxid ist das am meisten hergestellte Nanopartikel - laut dem deutschen Forschungsministerium werden weltweit jährlich etwa 47.000 Tonnen davon produziert, in Form weißer Farbpigmente ist es die 100-fache Menge. Und auch wenn es daher das am besten untersuchte Nanopartikel ist, liegt noch so einiges über sein Wirken im Dunkeln. So kamen Studien zu dem Schluss, dass Nano-Titandioxid in Sonnencremes durch gesunde Haut nicht dringen kann, wohl aber durch beschädigte Stellen.

Ob das langfristig Auswirkungen haben kann, ist nicht erforscht. Ebenso wenig, was genau künstliche Nanopartikel in der Umwelt anrichten könnten. Genau das wollen Umweltgeowissenschafter der Universität Wien herausfinden - an der Alten Donau in Wien. Mit rund einer Million Badegästen bei einem vergleichsweise geringen Wasservolumen von rund drei Millionen Kubikmetern gehört der alte Donauarm zu den am intensivsten genutzten Gewässern Europas.

Da kommt auch einiges an Sonnencreme zusammen: "Man kann mit etwa 250 Kilogramm Titandioxid im Jahr rechnen", schätzt Frank von der Kammer. Mit Thilo Hofmann, dem Leiter des Departments für Umweltgeowissenschaften, hat er soeben das Projekt "Detect-Nano" gestartet - das im Zuge des österreichischen Nano-Forschungsschwerpunkts (siehe Wissen) durchgeführt wird.

Sinkende Öko-Leistung

Titandioxid-Partikel sind nicht nur ein hervorragender UV-Filter und daher besonders bei hohem Sonnenschutzfaktor im Einsatz. Bei Lichteinstrahlung bilden sie sehr reaktionsfreudige Radikale, weshalb sie mit einem Schutzmantel aus Siliciumdioxid oder Aluminiumoxid überzogen werden. "Im Wasser könnte sich dieser Mantel ablösen und die Nanopartikel wieder reaktiv machen", sagt von der Kammer. "Unsere Hypothese ist, dass diese reaktiven Partikel an organische Flocken andocken. Die ökologische Leistung dieser Flocken, die etwa Nährstoffe abbauen, könnte durch die Partikel sinken."

Doch um diese Annahme wissenschaftlich zu untermauern, müssen die Partikel erst einmal abgemessen und identifiziert werden können. Bisher war das nur mit aufwändigen und unsicheren Untersuchungen unter dem Elektronenmikroskop möglich. Denn die winzigen Verbindungen sind nicht leicht zu entdecken: "Die Konzentration ist extrem niedrig, und die Partikel sind extrem empfindlich - sie bleiben hängen oder bilden Klumpen und verändern sich anderweitig", sagt von der Kammer. Zudem müssen die industriell hergestellten Titanoxide von den natürlich vorkommenden auseinandergehalten werden.

Untersuchungen in einem laufenden EU-Projekt haben bereits gezeigt, dass die Titandioxidkonzentration an bestimmten Stellen der Alten Donau im Sommer ansteigt. "Wir wollen beweisen, dass dies technische Nanopartikel sind und dass sie von der Sonnencreme kommen", beschreibt von der Kammer das Ziel. Um ein möglichst umfassendes Bild zu erhalten, werden die Forscher regelmäßig Wasserproben nehmen, Bohrkerne vom Grund holen, Sedimentfallen aufstellen - und sich im kommenden Sommer unter die Badenden mischen. Schließlich müssen auch Messungen dort vorgenommen werden, wo der Schmierfilm der Sonnencremes an der Oberfläche sichtbar ist.

Zum Vergleich sollen - in Zusammenarbeit mit der Stadt Wien - Filter in den Pools und Duschen am Gänsehäufel beprobt werden. Im Labor wird mit Versuchspersonen getestet, wie schnell sich die Creme im Wasser von der Haut löst, zusätzlich werden die Wissenschafter mit Fragebogen durch die Bäder ziehen, um zu erheben, wie viel titandioxidhaltige Sonnencreme verwendet wird. Parallel dazu wird die Konzentration von chemischen UV-Blockern in der Alten Donau gemessen.

Partikel nach Größe trennen

Um bessere Methode für die Analyse der Wasserproben zu finden, greifen die Wiener Umweltgeowissenschafter auf mehrere Verfahren zurück: Bei der "Feld-Fluss-Fraktionierung" werden die Partikel nach Größe aufgetrennt, dazu kommen Vermessungen anhand der Lichtabsorption und -streuung der Teilchen sowie die Messung der Elementekonzentration mit Massenspektrometern.

Diese Analysemethoden sollen exemplarisch an der Alten Donau erprobt werden, um später auch andere Arten von Nanopartikeln in der Umwelt detektieren zu können. Davon wird es in Zukunft immer mehr geben - derzeit sind Metalloxid-Partikel etwa für spritsparende Kraftstoffe und Kunstdünger im Gespräch. Frank von der Kammer ist überzeugt: "Wir sollten genug Erfahrungen sammeln, bevor die Problematik da ist."  (Karin Krichmayr, DER STANDARD, 21.11.2012)

 

=> Wissen: Zwergenteilchen

Wissen: Zwergenteilchen

Ein Nanopartikel verhält sich zur Größe einer Orange wie eine Orange zur Größe der Erde. Ein Nanometer - das ist der millionste Teil eines Millimeters. Alles, was 100 Nanometern oder kleiner ist, gilt als Nanopartikel. Es ist gerade diese unfassbar winzige Größe dieser Teilchen, die sie so bedrohlich erscheinen lässt. Und so debattieren seit Jahren Wissenschafter, Konsumenten- und Umweltschützer über die Nutzen und Risiken der boomenden Nanotechnologien. Vor wenigen Tagen hat das Lebensministerium die Website nanoinformation.at online gestellt, auf der Grundlagen und Anwendungen zusammengefasst werden.

Auf Empfehlung des österreichischen Aktionsplans Nanotechnologie von 2010 wurde der Forschungsschwerpunkt Nano Environment, Health and Safety eingerichtet. Unterstützt durch sämtliche betroffene Ministerien (Umwelt, Gesundheit, Verkehr, Soziales, Wirtschaft) hat die Forschungsförderungsgesellschaft FFG bisher etwas mehr als eine Million Euro an Nano-Projekte ausgeschüttet. Bereits seit 2007 untersucht das Projekt Nanotrust des Instituts für Technikfolgen-Abschätzung der Akademie der Wissenschaften systematisch mögliche Gesundheits- und Umweltrisiken. Es wird vom Technologieministerium finanziert und läuft bis 2013. (kri)