Gut fürs Karma - die Karma Chakhs

Foto: Van Bo Le-Mentzel

Der Architekt Van Bo Le-Mentzel ist ein kreativer Kopf. Kritisch ist der Berliner auch. Und er ist überzeugt von der Idee, dass Design die Welt verbessern soll. Van Bo Le-Mentzel glaubt, dass jeder Mensch ein Zuhause haben soll. Er glaubt, dass es schöne Möbel geben soll für Menschen, die Geschmack haben, aber kaum Geld. Er glaubt, dass die Leute weniger kaufen sollen, und dass sie darüber nachdenken sollen, was sie wirklich brauchen.

Dazu gehört zum Beispiel auch der Schuh. Dem widmet Le-Mentzel derzeit seine Energie. Denn der Mann, der sich über Möbel und Behausungen den Kopf zerbricht, schreitet auch gerne in Converse durch die Welt. Genau genommen hat es ihm der Converse Chuck Taylor All Stars angetan. Richtig wohl ist ihm allerdings nicht mehr, wenn er das erfolgreichste Schuhmodell aller Zeiten trägt. Seit seiner Erfindung 1917 wurden weltweit mehr als eine Milliarde Paar des Schuhs verkauft. Converse gehört seit dem Jahr 2003 dem Sportartikelriesen Nike. Dessen Produktionsstätten traut Le-Mentzel nicht über den Weg.

Hartz-IV-Möbel und Ein-Quadratmeter-Haus

Dass man den Produktionsprozessen der Großkonzerne aber etwas entgegen setzen kann, hat Le-Mentzel schon des Öfteren bewiesen. Ein Produkt dieser Haltung ist etwa das Ein-Quadratmeter-Haus. Berliner Bürger und Bürgerinnen sind vielleicht schon darüber gestolpert. Eine Rucksackreisende aus Neuseeland hat es behaust. Nachts kippte die Frau das Häuschen auf die Seite, so dass eine Matratze auf der Seitenwand Platz fand. Tagsüber wurde aus dem Häuschen kurzerhand ein Café. Wer wollte, konnte Kaffee gegen Spenden konsumieren.

Van Bo Le-Mentzel hat sich nicht nur dieses Hüttchen ausgedacht. Schlafsofa, Tisch, Hocker, Schreibtisch und Sessel entspringen ebenfalls der Ein-Mann-Kreativschmiede. Die Möbel sind schlicht - vom Bauhaus inspiriert - die Materialien billig. Die Anleitungen für die Möbel finden sich im Internet. Wer will, kann sie verbessern, weiterentwickeln und nachbauen. Dafür will Van Bo Le-Mentzel kein Geld, sondern Geschichten, Fotos und gute Gründe. In gesammelter Form gibt es die Episoden auch zwischen zwei Buchdeckeln. "Hartz-IV-Möbel.com" heißt das Werk: Eine Mischung aus Bastelbuch, Design-Buch und Manifest.

Selbst ist der Mann

Einen festen Standpunkt vertritt der Berliner auch in Sachen Schuh und fairer Produktion. "Man hört so viel von dubiosen Produktionsweisen (Anm. bei Nike-Produktionsstätten), immer wieder gab es Skandale von wegen Kinderarbeit und so - da hab ich einfach keinen Bock drauf", sagt der 34-Jährige der Financial Times Deutschland. Deshalb beschloss Le-Mentzel, sich selbst ein Paar "Chucks" machen zu lassen. Unter fairen Bedingungen, in Fabriken, die ihre Arbeitskräfte nicht wie das Letzte behandeln. Laut dem FTD-Bericht wurde er auch fündig. In Sri Lanka fand er eine vertrauenswürdige Fabrik, die Kautschuk für die Gummisohlen liefert, in Indien eine Weberei, die Biobaumwolle verarbeitet und in Pakistan eine, die Schuhe näht.

Der Haken an der Sache: Die Pakistani produzieren erst ab einer Mindestanzahl von 500 Stück. Le-Metzel sucht nun Mitstreiter über die Crowdfunding-Site Startnext.de. 499 Converse-Freunde müssen sich finden. 70 Euro kostet die verbindliche Bestellung für die so genannten "Karma Chakhs" (Chakhs stammt aus Panjabi und heißt soviel wie "erhebt euch"). Damit wären die Produktionskosten abgedeckt. Gewinn macht Le-Metzel damit nicht. Dafür schreitet er guten Gewissens durch die Welt. Falls aus der Sache etwas wird. Denn ob er damit durchkommt, ist noch nicht gewiss.

Klarer Fall von Markenrechtsverletzung

Der Kölner Markenrechtsanwalt Ralf Höcker sieht in der FTD einen klaren Fall von Markenrechtsverletzung. Le-Mentzel beauftrage eine Firma, eine Marke massenhaft zu kopieren. "Obendrein macht er eine fremde Marke verächtlich. Auch das ist rechtswidrig." Le-Mentzel fürchtet sich allerdings nicht: "Die Anwälte von Nike sollen sich melden, ich bin gern bereit, in diese Diskussion einzusteigen." Darüber hinaus ist er sowieso davon überzeugt, dass die "Chucks ihren Fans gehören." (rb, derStandard.at, 21.11.2012)