Im Nahen Osten sollen die Waffen schweigen. Ägypten hat die Feuerpause zwischen Israel und der Hamas vermittelt. Doch ohne "Pendeldiplomatie" wäre diese Einigung wohl nicht zustande gekommen. Denn die heruntergekommene VIP-Lounge des Kairoer Flughafens war in den vergangenen Tagen Durchgangsstation für Spitzendiplomaten aus aller Welt.
US-Außenministerin Hillary Clinton flog am Mittwoch zwischen Tel Aviv und Kairo hin und her, auch UN-Generalsekretär Ban Ki-moon war auf der gleichen Strecke unterwegs. Mittwochabend dann der Durchbruch. Die ägyptische Tageszeitung Al-Ahram zitierte die Bedingungen aus der Vereinbarung:
- Israel muss alle feindseligen Aktionen im Gazastreifen von Land, von See und aus der Luft stoppen. Dazu gehören auch Überfälle und gezielte Angriffe auf Personen.
- Die palästinensischen Gruppen müssen alle Feindseligkeiten vom Gazastreifen gegen Israel beenden, darunter das Abfeuern von Raketen und Angriffe auf die Grenzen.
- Innerhalb von 24 Stunden nach Inkrafttreten müssen die Grenzübergänge geöffnet sein und das Überqueren der Grenze durch Menschen ermöglicht werden, dies gilt auch für Waren.
- Ägypten erhält Garantien, dass beide Seiten sich an die Vereinbarungen halten. Jede Partei ist verpflichtet, auf Aktionen zu verzichten, die die Übereinkunft brechen.
Die Vermittlerrolle hatte Ägypten bereits unter Präsident Hosni Mubarak inne, aber unter Präsident Mohammed Morsi hat sich der Ton verändert. Als Muslimbruder hat Morsi eine enge Verbindung zur Hamas, die ihre Wurzeln in der ägyptischen Muslimbruderschaft hat. Er kennt ihre Leute und weiß, wie sie denken. Auf der Gegenseite kann er auf die Erfahrungen des Sicherheitsapparates zurückgreifen, der seit vielen Jahren zwischen Palästinensern und Israel vermittelt hat. Dieser Apparat ist auch in der Nach-Mubarak-Ära noch intakt, und seine Beziehungen mit der israelischen Seite bestehen weiterhin. Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass Morsi nach der gezielten Ermordung des Hamas-Militärchefs den ägyptischen Botschafter aus Tel Aviv abgezogen hat. Die mühsame Detailarbeit liegt in den Händen von Geheimdienstchef Mohammed Raafat Shehata.
Mit dem Grenzübergang in Rafah und den Tunneln, in denen Güter aller Art in den Gazastreifen geschmuggelt werden, hat Morsi wichtige Druckmittel gegenüber der Hamas in der Hand. Hier kann er entscheiden, wie viel Spielraum er ihr einräumt. Eine schnelle Einigung liegt auch im Interesse Ägyptens. Die Gefahr, dass der Konflikt auf den Sinai übergreift, ist immer latent vorhanden. Ein Verhandlungsdurchbruch wäre aber auch ein willkommener politischer Erfolg für Morsi.
Der ägyptische Außenminister Kamel Amr, der am Dienstag einen Hilfskonvoi in den Gazastreifen begleitet hatte, nannte die Schäden " mehr, als was berichtet wurde". Bis Mittwoch gab es laut der israelischen Tageszeitung Haaretz 140 Todesopfer im Gazastreifen, mehr als 30 davon Kinder. (Astrid Frefel, DER STANDARD, 22.11.2012)