Harry Lucas will zaubern, bis er 80 Jahre alt ist.

Foto: Felicitas Matern

Den SeherInnen der "Donnerstagnacht" auf ORF mag der Staatsmeister der Mentalmagie ein Begriff sein. Harry Lucas trat dort mit drei Kollegen unter dem Namen "Magic Mushrooms" in der gleichnamigen Sendung auf. Laut eigenen Angaben war er sich allerdings nie sicher, ob seine mentale Zauberei einen ganzen Abend lang alleine unterhalten könnte. Nun macht er die Probe aufs Exempel und tritt im Kabarett Simpl mit seinem Programm "Fantastische Kopfspiele" auf. Und führt dort unter anderem den "Telepathie-Akt" vor, einen hundertjährigen Trick.

derStandard.at: Warum wollen Sie die Gedanken und das Handeln von Menschen beeinflussen können?

Lucas: Ich habe bereits im Alter von fünf Jahren mit Zauberkunst begonnen. Das hatte für mich aber irgendwann immer weniger Bedeutung. Wenn man irgendwelche Tücher färbt, dann ist das im Alltag relativ sinnfrei. Ich habe etwas gesucht, was die Leute mehr bewegt und länger beschäftigt. Da hat sich das Gedankenlesen gut ergeben. Dabei verwendet man nicht nur Techniken aus der Magie sondern bedient sich auch der Psychologie.

derStandard.at: Mit Ihrem Zauberkasten als Kind hatten Sie Ihre Möglichkeiten als Zauberer wahrscheinlich schnell ausgeschöpft. Wie war Ihr weiterer Werdegang?

Lucas: Der Zauberkasten war nur ein erster Schritt. Ich traf schließlich Personen, die sich mit dem Thema Zauberei beschäftigen. Die haben mir dann verraten, wo man gute Literatur bekommt. Über den Jugendclub des Magischen Klub Wien bin ich schließlich zu dem Zauberzirkel "Magischer Cercle" gekommen.

Wien hat übrigens eine große Geschichte der Zauberkunst. So gab es im 19. Jahrhundert regelrechte Superstars in der Stadt. Viele Kartenkunststücke basieren noch heute auf einem von ihnen, Johann Nepomuk Hofzinser. 

derStandard.at: Warum haben Sie sich für Mentalmagie und gegen klassische Kartentricks entschieden?

Lucas: Ich habe immer versucht, anders als die anderen Zauberer zu sein. Außerdem habe ich gemerkt, dass viele Leute glauben, dass man bei Kartentricks einfach nur mit den Händen schnell ist. Schneller als das Auge. Das geht aber gar nicht. Dann stellte ich mir die Frage: Was wäre wenn man diesen Leuten ihre scheinbare Erklärung wegnehmen würde. Dann bleibt nur noch der magische Eindruck.

derStandard.at: Wie schwer ist es, Tricks für sich zu behalten?

Lucas: Für mich ist das gar nicht schwer. Selbst wenn die Leute versuchen, mich betrunken zu machen und mir etwas zu entlocken, halte ich dicht. Das hat nicht nur etwas mit dem Ehrenkodex zu tun. Aber es wäre schade, wenn die Leute dann glauben würden, dass es nur ein kleiner Trick ist. Dabei ist es gerade die Kunst aus diesen Kleinigkeiten eine große Show zu machen, um die Illusion herzustellen.

derStandard.at: Wie viel ist bei Ihren Nummern Illusion und wie viel Raum beanspruchen psychologische Techniken?

Lucas: Es ist eine Mischung aus vielen Dingen, Magie, psychologische Techniken, Lesen von Körpersignalen, Suggestion, Entertainment und Show. Man muss wissen, wann man jemanden aus dem Publikum drannimmt und wer sich besonders dafür eignet. Ich wähle zum Beispiel niemanden, der sich unwohl fühlt aber auch niemanden der unbedingt auf die Bühne will. Sicherheitshalber habe ich auch immer einen Plan B und C in der Tasche, falls etwas passiert. 

derStandard.at: Gab es für Sie so etwas wie den schönsten Moment auf der Bühne?

Lucas: Immer wieder. Einen fantastischen Moment gab es in meiner letzten Show. Zurzeit spiele ich unter anderem eine Nummer, den Telepathie-Akt, bei der sollen Menschen an eine Frage denken, die besonders wichtig für sie ist. Ich als Gedankenleser schaue mir die Leute genau an und spreche diese Frage schließlich aufgrund von Menschenkenntnis und mit Hilfe der Psychologie laut aus.

Als das letzte Mal eine Dame an eine Frage dachte und ich sie laut aussprach, war sie den Tränen nahe. Diese Frage war sehr persönlich und emotional für sie. Sie hat sich sehr gefreut. Da merke ich, dass es in meinen Vorstellungen nicht nur Show gibt, sondern die Leute auch bewegt sind.

derStandard.at: Haben Sie sich schon einmal selbst hypnotisieren lassen und wie fühlt sich das an?

Lucas: Hypnose ist so, als würde man die Augen zumachen. Es ist eine Aufmerksamkeit nach innen, eine gelenkte Art der Meditation. Hypnose ist kein großartiger Zustand sondern einfach eine Möglichkeit, sich Dinge vorzustellen. Wenn man ein Buch liest, dann tauchen auch plötzlich Bilder auf. Oder wenn wir auf der Autobahn fahren, dann fragt man sich vielleicht, wo war ich die vergangenen Minuten? Jeder hat die Fähigkeit, das zu erleben.

derStandard.at: Eignen sich alle Menschen für Hypnose?

Lucas: Prinzipiell würde ich sagen ja. Die Frage ist nur, ob ich als Hypnotiseur den richtigen Zugang zu der Person finde.

derStandard.at: Wie viel Show ist bei den Hypnosevorführungen dabei? Braucht es dieses theatralische Schnippen zum Beispiel wirklich?

Lucas: Generell muss man sagen, dass dieses Schnippen schon etwas sehr dramatisches auf der Bühne ist und die Leute das auch sehen wollen. Ich verwende es aber nicht. Bei mir gibt es auch keinen hypnotischen Schlaf oder die dramatischen Worte "schlafe tiefer, tiefer". Ich zeige den Leuten was passieren kann, wenn sie ihre Fantasie anzapfen. Da passiert es immer wieder einmal, dass die Leute ihren Namen vergessen oder an der Stelle kleben bleiben.

derStandard.at: Sie haben zuvor gesagt, dass sich viele Menschen bei Kartentricks der magischen Illusion berauben. Bei Mentalmagie denken sich aber viele, dass die Leute aus dem Publikum wahrscheinlich eingeweiht sind.

Lucas: Das ist eine legitimer Gedanke, aber zu kurz gedacht - und auch nicht notwendig. Man braucht keine Schauspieler oder Eingeweihten, normale Zuschauer reichen völlig. Außerdem müssten die Leute extra bezahlt werden und die Logistik für so viele Shows wäre viel zu aufwendig. Ich verwende viele psychologische und andere unbekannte Techniken. Meine Show ist so interaktiv, jeder aus dem Publikum kann drankommen. Das macht es ja auch so spannend.

derStandard.at: Gibt es eine Nummer, auf die Sie am meisten stolz sind? 

Lucas: Auf den Telepathie-Akt bin ich sehr stolz, weil er nach einhundert Jahren immer noch aktuell ist, fasziniert und berührt. In den habe ich sehr viel Zeit und Energie reingesteckt. Es gab nämlich fast keine Literatur dazu und ich habe es trotzdem geschafft, ihn auf die Bühne zu bringen. Es gibt aber noch eine Nummer die ich selbst entwickelt habe. Dabei geht es darum, ob man jemandem ansehen kann, wofür er sich entscheidet. Beides ist in der aktuellen Show zu sehen.

derStandard.at: Gibt es einen Unterschied zwischen der Zauberei vor Kindern und Erwachsenen?

Lucas: Kinder haben einen anderen Zugang. Sie sind offener, weil sie weniger Erfahrung haben. Kinder schauen mit einem sehr einfachen Blick auf die Tricks und erraten deshalb auch sehr oft, wie die Nummer funktioniert. Aber meine Shows sind erst ab 12 Jahren geeignet, weil Kinder wahrscheinlich mentale Magie nicht interessieren würde oder es dann zu gruselig wäre, weil sie an echte Zauberei glauben.

derStandard.at: Was raten Sie Neueinsteigern? Würden Sie einen Schüler aufnehmen?

Lucas: Ich würde empfehlen, mit offenen Augen durch die Welt zu gehen, Leute anzuschauen und auf Kleinigkeiten zu achten. Die Menschen geben durch ihre Körpersprache viel von sich preis. Ich weiß nicht, ob ich der richtige Lehrer wäre. Aber ich könnte es mir durchaus vorstellen. So etwas ist aber ein längerer Prozess und nicht etwas, das man an einem Wochenende lernen kann. Vielleicht werde ich meine Techniken und Ideen auch irgendwann niederschreiben und in einem Buch veröffentlichen. 

derStandard.at: Gibt es Pläne für ein Leben nach der Zauberei?

Lucas: Nein. Ich habe letztens Bill Cosby gehört. Der geht auf die 80 Jahre zu und tritt noch immer auf. Das will ich auch so machen. Mir macht mein Job wahnsinnig viel Spaß. Ich wollte nie nur arbeiten gehen, um Geld zu verdienen. Ich will Leute begeistern. (Bianca Blei, derStandard.at, 22.11.2012)