Feldkirch - Das Warten auf den seit Jahren eingeforderten Armutsbericht hat die Caritas Vorarlberg mit einer eigenen Studie abgekürzt. Am Donnerstag präsentierte Caritas-Direktor Peter Klinger das "Sozialbarometer Vorarlberg 2012". Keinen "Skandalbericht", sagte Klinger, "aber einen Anstoß zur politischen Diskussion".

Denn in Vorarlberg sei keineswegs alles besser, wie gerne suggeriert würde. Klinger versteht die Studie als Anleitung zur Armutsprävention. "Wir müssen verhindern, dass immer mehr Menschen Hilfe aus öffentlichen Töpfen brauchen."

Obwohl der soziale Standard in Vorarlberg hoch sei, müsse sich in diesem reichen Land einiges ändern. Beispielsweise die Einkommenssituation der Frauen. Die Lohndifferenz zwischen Frauen und Männern beträgt 11.700 Euro jährlich (Österreich: 7400 Euro). Die Vorarlbergerinnen bekommen die niedrigsten Pensionen, erreichen im Mittel nur 52 Prozent der Männerpensionen. Klinger: "Da sind die Sozialpartner gefragt, da muss ein Gipfel her." Die Forderung der Caritas: Existenzsicherende Einkommen durch einen Mindestlohn von 1300 Euro brutto, 14-mal im Jahr. Die Höhe der bedarfsorientierten Mindestsicherung müsse durch eine Landesregelung an die hohen Lebenshaltungskosten in Vorarlberg angepasst werden.

Wohnkosten explodieren

Politische Intervention fordert die Caritas auch gegen "explodierende Wohnungskosten". Klinger: "Die Kosten für das Wohnen sind zwischen 2000 und 2010 um 34 Prozent gestiegen, die Löhne aber nur um 22 Prozent." Abhilfe könnten Gemeinden durch sozialen Wohnbau schaffen. "Aber weniger als die Hälfte der Gemeinden sind dazu bereit", kritisiert Klinger. Der Vorschlag der Caritas-Studie: Gemeindeförderungen des Landes sollen an die Bereitschaft zu sozialem Wohnbau gebunden werden.

Prinzipiell verändert gehöre das Schulsystem, fordert die Caritas. Die Studie belegt die Notwendigkeit einer gemeinsamen Schule für die 10- bis 14-Jährigen. Klinger will im neuen Schulsystem auch die Inklusion Behinderter garantiert sehen. Das Ziel: Abschaffung der sozialpädagogischen Zentren und eine gemeinsame Schule für alle. Was die Caritas-Experten besonders stört: 34 Prozent der Sonderschüler haben Migrationshintergrund. Die Kinder würden wegen mangelnder Deutschkenntnisse in Sonderschulen abgeschoben.

Verbessert gehöre auch die Situation der Asylwerber. Klinger: "Diese Menschen müssen oft ein Jahr und mehr mit 250 Euro monatliche auskommen." Die Forderung: Arbeitsgenehmigung, wenn das Asylverfahren über ein Jahr dauert und Möglichkeit zu geringfügigen Jobs. (jub/DER STANDARD, 23.11.2012)