Die Veranstalter von Leadership Revisited, Martin Engelberg (Vienna Consulting Group) und Barbara Heitger (Heitger Consulting), mit Oliver Holle (rechts).

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Er habe damals bei der Gründung seines ersten Start-ups jeden Fehler gemacht, den man nur machen könne, gibt Oliver Holle, CEO von Speedinvest, zu. Während der Dotcom-Welle 1997 gründete er gemeinsam mit Studienkollegen sein erstes Unternehmen: Sysis, spezialisiert auf interaktive Simulationen. Ein riesiges Büro wurde angemietet und 70 Mitarbeiter eingestellt. 50 von ihnen mussten bald wieder entlassen werden. In den ersten sieben Jahren war jeder Monat ein Kampf ums Überleben, sagt er. Der Erfolg kam erst 2004, als Ericsson als Vertriebspartner gewonnen werden konnte. 2006 wurde Sysis an Verisign verkauft. Mit Speedinvest, wo das Kapital von 30 Privatinvestoren gebündelt wird, investiert Holle heute in erfolgversprechende Start-ups.

Im Rahmen von "Leadership Revisited", einer Kooperation von Heitger Consulting, der Vienna Consulting Group und dem Standard, warf Holle einen Blick auf äußere und innere Bedingungen und Herausforderungen von Start-ups. Besonderes Kennzeichen: Ausrichtung auf massives Wachstum. Häufig sei der Fokus ein technologischer, und vielfach seien die Gründer jung.

Geschwindigkeit als Schlüsselfaktor

"Die meisten Internet-Start-ups sind aber nicht besonders innovativ. Sie übertragen digitale Geschäftsmodelle auf neue Sektoren", sagt Holle. Der Schlüsselfaktor habe weniger mit Innovationskraft als vielmehr mit Geschwindigkeit bei der Umsetzung zu tun.

"Ein ökonomisches Risiko besteht nur in der Anfangsphase", erklärt Holle. Mittlerweile gebe es aber eine Struktur, die die schwierige Anfangsphase erleichtern würde, sei es durch sogenannte Accelerators oder durch Business Angels.

Start-up bedeute implizit auch die Bereitschaft zum Scheitern: Es dürfe nicht jahrelang an der eigenen Idee festgehalten werden.

Keine Karrierepfade

In der Anfangsphase sei die Unmittelbarkeit der größte Motivationsfaktor, so Holle. Eine kleine Gruppe arbeitet an einem gemeinsamen Projekt mit extrem kurzen Feedback-Zyklen. "Karrierepfade gibt es in Start-ups nicht. Entweder man ist erfolgreich oder nicht". Allerdings: Basisdemokratisch laufe bei Start-ups nichts ab. Schon früh werde die Rollenaufteilung klar, wobei der Geschäftsführer nicht unbedingt auch die Nummer eins in der Organisation sein müsse, ergänzt er. Das Team werde im Wesentlichen von drei Typen zusammengehalten: den wirtschaftlich topprofessionellen Mitgliedern, die stark zielfokussiert, aber ungeduldig sind und schnell weg sein können; den von ihren Interessen Getriebenen, die nach innen orientiert und innovativ sind, und einer zusammengeschworenen Gruppe, die gemeinsam an den Erfolg glaube, oft aber nicht in der Lage sei, wesentliche Änderungen vorzunehmen.

"Hierarchien sind in der Anfangsphase kein Thema", sagt Holle. Wohl aber, sobald externe Geldgeber mit an Bord sind. Da könne sich sehr rasch die Rollenaufteilung komplett ändern. "Der Reibebaum, an dem viele Start-ups zugrunde gehen, sind die Dynamiken, die dann zwischen Gründern, Eigentümern und Mitarbeiter freigesetzt werden", ergänzt Holle.

Das erfordere von den Gründern eine enorme Belastbarkeit, um den radikalen Wandel auch durchzustehen. "Kooperationskontrakte verändern sich auf dramatische Weise", so Holle. Führungskräfte brauchen dafür eine enormes Selbstwertgefühl bis hin zur Ignoranz - und das Ganze gepaart mit der Bereitschaft, eigene Fehler rasch zu korrigieren. (Gudrun Ostermann, DER STANDARD, 24./25.11.2012)