"Jetzt müssen Imame oft erst selbst integriert werden", sagt Theologe Wolfram Reiss.

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Er empfiehlt die Einrichtung eines islamisch-theologischen Bachelorstudiums, das in diverse Berufe führt sowie Männern und Frauen offensteht.

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STANDARD: Sie haben die Arbeitsgruppe zur vieldebattierten "Aus-, Fort- und Weiterbildung" für Imame in Österreich mit Vertretern von Islamischer Glaubensgemeinschaft, Uni Wien, Innen-, Außen- und Wissenschaftsministerium geleitet. Wie lautet Ihr Resümee?

Reiss: Der klassische Weg war bisher, eine Ausbildung zum Imam in den Heimatländern zu absolvieren. Imame haben derzeit oft
Sprachschwierigkeiten, kennen sich mit Geschichte, Politik und sozialen Verhältnissen in Österreich nicht so gut aus. Es gibt daher seit längerem die Überlegung, eine wissenschaftlich-theologische Ausbildung zu begründen.

STANDARD: Diese ginge also über die alleinige Imamausbildung hinaus?

Reiss: Wir empfehlen ein Bachelorstudium, das in diverse Berufe führt sowie Männern und Frauen offensteht. Die Tätigkeit eines Imams in einer Gemeinde steht im Zentrum, aber es soll auch Grundlage dafür sein, in einer staatlichen Einrichtung tätig zu werden - im Spital, im Gefängnis, bei der Polizei - oder die wissenschaftliche Laufbahn einzuschlagen.

STANDARD: Was sollte es umfassen?

Reiss: Es bedarf zentraler Grundlagen, wie sie auch in der Türkei oder in Ägypten Imamen mitgegeben werden: Arabisch, Koran- und Hadithwissenschaft, islamisches Recht etc. Aber viele Imame berichten, dass sie hier mit ganz anderen Fragen konfrontiert sind. Seelsorgerische, pädagogische Kenntnisse sind vonnöten, Qualifikationen in Management und Jugendarbeit. Die Auseinandersetzung mit einer säkular geprägten Umwelt sollte Thema sein. Jetzt sind Imame oft nur für ein paar Jahre hier und müssen erst selbst integriert werden.

STANDARD: Wie reagieren die Moscheenverbände, die ja die Imame anstellen?

Reiss: Es besteht ein Problem, ob die Ausbildung akzeptiert wird. Es sollte versucht werden, die Überlegungen für Moscheengemeinden sowie auch die Mehrheitsgesellschaft transparenter zu machen, um zu zeigen, dass beide Seiten profitieren können.

STANDARD: Muss die Glaubensgemeinschaft das also in die Gemeinden tragen?

Reiss: Ja, denn die Gespräche dazu fanden bisher vor allem mit Vertretern der Islamischen Glaubensgemeinschaft statt. Bei den Verbänden besteht die Befürchtung, dass künftig keine Imame mehr aus dem Ausland eingestellt werden dürfen und der Staat diktieren könnte, was in dem Studium drin sein soll.

STANDARD: Wann könnte das Studium stehen?

Reiss: Theoretisch wären die Verträge wohl innerhalb eines Jahres verhandelbar. Es muss aber erst politisch darüber diskutiert werden, daher kann ich das nicht abschätzen.

STANDARD: Wie groß wird der Bedarf für das Studium eingeschätzt?

Reiss: Es gibt zirka 300 Moscheengemeinden. Mit rund 15 bis 20 Studienanfängern pro Jahr ist zu rechnen. Zwei, drei Professuren für die klassischen Fächer wären gut.

STANDARD: Wie sollte die Besetzung der Lehrstühle erfolgen?

Reiss: Die Islamische Glaubensgemeinschaft tendiert zu einem Vertragsmodell, in dessen Rahmen ihr zum Beispiel die Möglichkeit zur Stellungnahme eingeräumt würde. Ein direktes Vetorecht wird es vermutlich nicht geben.

STANDARD: Es hieß in Bezug auf die in der Türkei absolvierte Imamausbildung oft, der türkische Staat wolle eben seinen Einfluss bewahren. Sehen Sie da Probleme?

Reiss: Selbst innerhalb der Islamischen Glaubensgemeinschaft gibt es da verschiedene Positionen. Die Verbindungen sollten aber weiterhin gepflegt und eher ausgebaut werden, zum Beispiel durch Partnerschaftsvereinbarungen mit Universitäten in der Türkei und der arabischen Welt. (Gudrun Springer, DER STANDARD, 24./25.11.2012)