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Weshalb herrscht im Umfeld dieser Demonstration, die auf die unzureichenden Lebensumstände der Flüchtlinge in Traiskirchen und Österreich insgesamt hinweisen will, eine solche Konzentration auf die Reaktionen der Behörden?

Foto: APA/Pfarrhofer

Die AsylwerberInnendemo aus Traiskirchen nach Wien geht mit viel Aufregung einher. Es begann am Abend davor, mit der Nachricht, dass im Flüchtlingslager just am Demo-Samstag eine morgendliche Anwesenheitskontrolle angesetzt worden sei. Das sei auf Zetteln zu lesen, die eigens aufgehängt worden seien. Ein Zettel wurde fotografiert und samt einem Artikel im STANDARD und auf derStandard.at veröffentlicht. Stunden später meldete sich die "Falter"-Journalistin Nina Horacek auf Twitter zu Wort: Aushänge wie diesen habe sie bei Besuchen im Erstaufnahmezentrum schon vor Monaten fotografiert - denn derlei Anwesenheitskontrollen fänden regelmäßig statt.

Das war auch die Message, die aus dem Innenministerium kam. Der Personenstand werde im Lager tagtäglich überprüft, aus "organisatorischen Gründen". Zwar werde auf besagten Zetteln für den Fall von Abwesenheit die Abmeldung angedroht. Aber das gelte nur für den Fall ungerechtfertigter Abwesenheit - und somit nicht für die Demo-Teilnahme. "Die Ausübung des Demonstrationsrechtes ist ein gerechtfertigter Grund", präzisierte Innenministeriumssprecher Karlheinz Grundböck: Eine klare Ansage aus dem Zentrum polizeilicher Macht, auf die man sich in den kommenden Tagen wird beziehen können - sollten nach Traiskirchen zurückkehrende AsylwerberInnen wider Erwarten dort doch Schwierigkeiten bekommen.

Doch war damit die Aufregung zu Ende? Mitnichten. Das geplante Protestlager von Flüchtlingen im Wiener Sigmund-Freud-Park werde vielleicht nicht stattfinden können, denn in Traiskirchen könne es in den kommenden Tagen durchaus weitere Anwesenheitskontrollen geben, hieß es am Samstag von Seiten der ÖH. Trotz anderslautender Infos: Die Nachricht von der behördlichen Demo-Behinderung hielt sich.

Am Thema vorbei?

Warum dies? Weshalb herrscht im Umfeld dieser Demonstration, die auf die unzureichenden Lebensumstände der Flüchtlinge in Traiskirchen und Österreich insgesamt hinweisen will, eine solche Konzentration auf die Reaktionen der Behörden? Angesichts der beachtlichen Aufmerksamkeit, den der Protest der Flüchtlinge und ihrer UnterstützerInnen hervorgerufen hat - das ORF-Radio berichtete Samstagnachmittag mehrfach in den Nachrichten über den Demo-Zug - erscheint das als Ablenkung vom Thema.

Das wiederum ist schade, denn bei der Unterbringung und Betreuung von AsylwerberInnen in Österreich liegt tatsächlich viel im Argen. Die größten Brocken darunter - und ein paar zusätzliche Punkte - sind als "Forderungen der protestierenden Flüchtlinge" im Demo-Aufruf aufgelistet. Die Spannbreite geht weit über die "Zustände in Traiskirchen" hinaus, die als Fokus der Demo bisher im Mittelpunkt standen - und über die gesondert zu berichten ist.

Da ist, nur zum Beispiel, - erstens - die bis dato völlig unhinterfragte Verlegungspraxis aus Traiskirchen in die Länder. Angesichts von deren Quartiergeiz sind die Wünsche und Bedürfnisse der umzusiedelnden Flüchtlinge das allerletzte, was dabei berücksichtigt wird. Das führt dazu, dass junge Burschen, die - Stichwort: Arbeitsverbot für Asylwerber- zur Untätigkeit verdammt sind, in abgelegene Berggasthöfe transferiert werden, ohne jede infrastrukturelle Anbindung. Für sie und viele andere AsylwerberInnen eine Qual.

Verlegungen ohne Rücksicht

Und sollte ein Flüchtling woanders in Österreich für ihn wichtige soziale Kontakte haben: egal, wer verlegt wird, muss folgen! So wie es vor ein paar Jahren einem nach Folter schwer traumatisierten Mann aus Tschetschenien geschah, der in Wien, beim Traumatherapieverein Hemayat, Psychotherapie machte. Obwohl es ihn fast um den Verstand brachte - er wurde gezwungen, nach Mürzzuschlag in die Länderbetreuung zu übersiedeln. Seine weitere Geschichte wird in meinem "Schwarzbuch Menschenrechte" geschildert.

Da ist - zweitens - das völlig unzureichende "Taschengeld" für AsylwerberInnen, 40 Euro pro Monat, die unter anderem auch für Tickets in Öffis reichen müssen. Das verurteilt viele AsylwerberInnen zum Schwarzfahren, denn sie können sich Fahrscheine schlicht nicht leisten. Doch auf Nachfrage bei manchen Öffi-Betreibern heißt es nur. "Dann soll er (oder sie) doch zu Fuß gehen!"

Da ist - drittens, aber sicher nicht letztens - der Umstand, dass AsylwerberInnen während ihres Verfahrens beruflich und ausbildungsmäßig völlig aufs Abstellgleis gestellt werden. Neben dem Arbeitsverbot mit seinen verunselbstständigenden, krankmachenden Folgen werden ihnen auch Deutschkurse nur in geringem Ausmaß angeboten.

Integrationsverbot

Grund dafür: So lange unklar ist, ob sie Asyl erhalten, sollen Flüchtlinge sich in Österreich nicht integrieren. Das ist der offizielle, politische Wille. Wie hieß es einst, zwischen 1989 und 1995, unter Innenminister Franz Löschnak (SPÖ) im Ministerium - und wurde durch Gesetzesverschärfungen roter wie schwarzer MinisterInnen in der Folge weitergetrieben: "Die Lebensumstände von Asylwerbern müssen so sein, dass es für sie möglichst unattraktiv ist, nach Österreich zu kommen."

Wenn manche Flüchtlinge jetzt beginnen, dies zu erkennen und dagegen zu protestieren, ist das ein wichtiger Schritt - trotz des bestehenden Risikos, dass diese "Anmaßung" durchaus dazu führen kann, die Kronen-Zeitung-dominierte veröffentlichte Meinung gegen sie aufzubringen. (Irene Brickner, derStandard.at, 24.11.2012)