Gerhard Rodax beim Länderspiel Österreich gegen Island am 1989 im Lehener Stadion in Salzburg. Österreich gewann 2:1.
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Traiskirchen, im November 2012. Geschäftsmann Gerhard Rodax in seiner schuldenfreien Tennishalle.

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Traiskirchen - Es hat einfach zu viele Tennishallen in Traiskirchen gegeben. Die Nachfrage lachte das Angebot aus. Gerhard Rodax hat die Krise überstanden. "Die Qualität hat sich durchgesetzt." Die sechs Plätze sind gut gebucht, im Restaurant hält sich die Langeweile der Kellnerin durchaus in Grenzen. Die vier Kegelbahnen sind keine sinnlose Investition gewesen, in Traiskirchen ufert das Freizeitangebot nicht aus. Der Traiskirchner Rodax sagt: "Mir geht es gut, ich bin ein sehr zufriedener, gesunder Mensch. Schulden habe ich keine." Vom Fußball hat er sich längst verabschiedet. "Und das ist gut so."

Vor acht Wochen ist der 47-Jährige zum zweiten Mal Vater geworden. Mia heißt die Tochter, sie ist ein Wunschkind und hat laut Mutter Ana einen respektablen Schlafrhythmus. Nathalie, sie stammt aus erster Ehe, ist 21, studiert in Wien Psychologie. "Auch sie war ein Wunschkind. Ich hatte auch viel Zeit für meine erste Tochter, denn so aufwändig war der Beruf des Fußballers nicht."

Das zweite Standbein

Die Tennishalle hat er übrigens 1989, kurz vorm Höhepunkt seiner Karriere, eröffnet. "Ich wollte ein zweites Standbein." Zu dieser Zeit schickte sich Thomas Muster an, einer der Besten zu werden. Die Sportart boomte in Österreich, Traiskirchen inklusive. "Und ich boomte anfangs mit. Auch dank meines Vaters, der noch heute mitten im Geschäft steht." Er selbst ist ein mittelmäßiger Hobbyspieler mit ausbaufähiger Vorhand. " Für einen Fußballer war ich nie schlecht, aber der Kühbauer war besser."

Damals kamen die Leute "Rodax schauen", das hat sich aber rasch gelegt. " Heute weiß kein Schwein mehr, dass ich einmal Fußballer war. Und das ist gut so. Man muss die Dinge abschließen. Ohne Wehmut." An den Wänden hängen keine Bilder vom kickenden Rodax, das wäre eine sanfte Form von Belästigung. Die alten Zeitungsausschnitte hat die Mama selbstverständlich gesammelt, Mütter ticken so.

Die Geschichte vom Fußball

Irgendwann wird er Mia die Geschichten vom Fußball erzählen wollen, erzählen müssen. Davon, dass er als Bub im benachbarten Baden, wo er zur Schule gegangen ist und später maturiert hat, entdeckt wurde. Seine Schnelligkeit ist nicht nur einem Nachwuchstrainer aufgefallen, sie war zu offensichtlich. Er wurde in die Südstadt zur Admira geschickt, 1983 bekam er einen Profivertrag. "Aus Spaß wurde Beruf." Die Admira galt als graue Maus, die Zuschauer konnten mitunter einzeln begrüßt werden. "Kein Problem, irgendwann merkt man die Tristesse nicht mehr."

In Archiven wird er als "blonde Rakete" beschrieben, ihm selbst ist dieser Spitzname entgangen. "Ich war nur der Hartl." Der Hartl schoss Tore, viele Tore, wurde ins Nationalteam einberufen. Es sollten 20 Länderspiele werden. "Man setzte eher auf das Duo Andi Orgis und Toni Polster." Rodax hat sich nie in den Mittelpunkt gedrängt. "Ich stand gerne in der zweiten Reihe, hatte nie Wickel mit Trainern. Mein Ehrgeiz ging nie so weit, dass ich die Ellbogen eingesetzt habe."

Damals, die Mia wird sich wundern, gab es kein Internet, kein Facebook. Statt einsam getwittert wurde auf Trainingslagern gemeinsam Karten gespielt. "Ich spielte schon mit, zog mich aber gerne einen Nachmittag lang zurück." In der Saison 1989/90 wurde Rodax mit 35 Treffern Schützenkönig, die Wahl zum Fußballer des Jahres hat ihn gefreut. Sein Vorgänger war Herbert Prohaska. "Komisch ist, dass ich mich an meine Tore kaum erinnern kann." Im Nationalteam hat er dreimal genetzt. Gegen Malta, Spanien und bei der WM 1990 in Italien gegen die USA, Endstand 2: 1.

"Auf Wiedersehen"

Mia wird es überraschen, dass Österreich einst eine Endrunde bereicherte. Für ihren Vater war die Partie gegen Spanien wegweisend. 28. März 1990, Test in Malaga: Spanien führte zur Pause 2:0, es hätte 9: 0 stehen können. Der Trainer tauschte fast die komplette Mannschaft aus, das ÖFB-Team unter Josef Hickersberger nützte das schamlos aus, siegte 3:2. Rodax besorgte in letzter Minute den dritten Treffer. Dass es ein Solo im Eiltempo übers halbe Feld war, daran erinnert er sich schon. Im Sommer 1990 wurde er von Atletico Madrid verpflichtet. Damals gab es strikte Ausländerbeschränkungen, Bernd Schuster und Paulo Futre hießen die anderen Legionäre. Präsident war Jesus Gil, ein Bauunternehmer an der Grenze zum Wahnsinn. "Wenigstens hat er privates Geld reingesteckt, er war kein Pseudopräsident."

Rodax wurde Cupsieger, gegen Real Madrid hat er zwei Tore erzielt. Aber irgendwie lief es unrund, es lag auch an Verletzungen. Die Ehefrau wurde mit Nathalie schwanger, wollte heim. Gil sagte zum Abschied "auf Wiedersehen". Man hat sich nie wieder gesehen. Nach einem Jahr Madrid heuerte Rodax bei Rapid an. Dort herrschte Chaos, die Spieler drohten aufgrund ausstehender Gehälter mit Streik. 1993 hörte er im Alter von nur 28 Jahren auf. "Ich wartete auf Angebote. Drei Monate, sechs Monate. Es kam nichts Vernünftiges. Natürlich hätte ich mehr erreichen können. Aber das kann jeder von sich behaupten, Messi ausgenommen. Die Tennishalle brauchte mich. Fußballtrainer war kein Thema. Ich bin lieber in der zweiten Reihe."

Mia wird nicht verborgen bleiben, dass sich der Papa der Admira verbunden fühlt. Nathalie weiß es längst. Vielleicht besucht sie mit ihm das eine oder andere Heimspiel. Freiwillig. Was einen echten Admiraner auszeichnet? "Bescheidenheit." (Christian Hackl, DER STANDARD, 26.11.2012)