Carlo Frederico Perno ist zuversichtlich. "Die Geschichte um HIV ist ein großer medizinischer Erfolg", sagt der römische HIV-Forscher. Nur 20 Jahre nach Ausbruch von Aids habe man Therapien gefunden, die es fast vollständig besiegen. Aber eben nur fast.

Tatsächlich bescheren die antiviralen Cocktails aus zumeist drei Medikamente HIV-Infizierten inzwischen ein langes Leben. Doch vergessen dürfen sie niemals auf ihre Mittel. Das HI-Virus bedient sich eines tückischen Mechanismus: Es versteckt sein Erbgut in weißen Blutkörperchen vom Typ CD4+-T-Zellen. Darüber verteilt es sich, legt sich in Milz, Lymphknoten oder Gehirn ab. Selbst wenn die Viren im Blut nicht mehr nachweisbar sind - ausrotten können Medikamente sie nicht. "Entweder die HI-Viren schlummern an Orten, die für die Wirkstoffe unzugänglich sind, oder sie verstecken sich in einzelnen Zellen, werden aber, sobald sie beginnen, sich wieder zu vermehren, abgefangen", beschreibt Perno.

Krebsmedikament gegen HIV

David Margolis von der University of North Carolina gelang es kürzlich, HI-Viren mithilfe eines Krebsmedikaments aus dem Versteck zu locken. Der Wirkstoff Vorinostat wird gegen seltene Hauttumore eingesetzt. Bei elf von 16 HIV-Infizierten sorgte er in Blutproben dafür, dass die Viren erneut aktiv wurden. Acht der Patienten nahmen schließlich dreimal das Krebsmittel. Auch konnten die Wissenschafter das Virus anschließend wieder entdecken. "Ob das allerdings ausreicht, um das Reservoir zu entleeren, bleibt offen", sagt Robert Zangerle, HIV-Experte aus Innsbruck. Auch in München laufen dahingehende Untersuchungen. Johannes Bogner und sein Team von der Ludwig-Maximilian-Universität testen in der New-Era-Studie fünf Wirkstoffkombinationen, mit denen sie verhindern wollen, dass das HI-Virus neue Reservoirs bildet. Ob der Ansatz erfolgreich ist, bleibt abzuwarten.

Ist eine Heilung von HIV in Aussicht? Perno und Zangerle haben Zweifel. Tatsächlich dürfte eine Behandlung mit dem Krebsmittel Vorinostat nur bedingt möglich sein. Das Medikament schädigt das Erbgut und hat Nebenwirkungen. Die Zulassung gegen T-Zell-Lymphome, eine Form von Blutkrebs, wurde unlängst untersagt. Auch den Münchener Versuch betrachtet Zangerle skeptisch. "Solche Ansätze sind wichtig, um aus ihnen zu lernen", sagt er. (Edda Grabar, DER STANDARD, 26.11.2012)