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Noch immer für viele Palästinenser eine Legende.

Foto: REUTERS/Marko Djurica

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Die Stätte der Exhumierung.

Foto:Nasser Shiyoukhi/AP/dapd

Ramallah - Acht Jahre nach seinem Tod wird der Leichnam des früheren Palästinenser-Präsidenten Yasser Arafat auf Giftspuren untersucht. Experten aus der Schweiz, Frankreich, Russland und der Palästinenser entnahmen am Dienstag Proben aus dem Grab in Ramallah. Abgeschirmt hinter einer blauen Plane öffneten die Rechtsmediziner das Mausoleum nahe des Hauptsitzes der Autonomiebehörde. Arafats Witwe Suha hatte die Untersuchung angestoßen, blieb ihr aber fern. Erste Ergebnisse sollen erst in mehreren Monaten vorliegen.

Die Exhumierung in der Mukataa, dem Hauptsitz der palästinensischen Autonomiebehörde in Ramallah, wo sich das Mausoleum Arafats befindet, begann um 05.00 Uhr Ortszeit (04.00 Uhr MEZ) und war binnen weniger Stunden abgeschlossen. Anwesend waren auch der Mufti von Jerusalem, Mohammed Hussein, und ein französischer Untersuchungsrichter.

Anders als geplant, verblieben Arafats Gebeine in dem Grab. Laut Taufik Tirawi, Chef der palästinensischen Kommission zur Untersuchung von Arafats Tod, entschieden die Experten gemeinsam, die Proben direkt aus der Grabstätte zu entnehmen. Das Grab wurde wieder verschlossen, eine für den Nachmittag geplante neue Beisetzung fand nicht statt, wohl aber eine Militärzeremonie.

Geklärt werden soll, ob der umstrittene Politiker mit radioaktivem Polonium vergiftet wurde. Nicht nur in seiner Familie, auch unter Palästinensern ist die Untersuchung aber umstritten. "Das ist verkehrt. Wie wollen sie nach all dieser Zeit plötzlich die Wahrheit finden?", fragte der Bauarbeiter Ahmad Jusef, der vor dem Mausoleum anhielt, um einen Blick auf die Untersuchung zu werfen. Arafat war 2004 in einem Pariser Krankenhaus gestorben - bereits zu dem Zeitpunkt wurde gemutmaßt, dass Fremdverschulden im Spiel sein könnte. Nachdem ein Schweizer Institut Spuren von Polonium an Arafats Kleidung gefunden hatte, leiteten französische Richter im August Mordermittlungen ein.

Die Exhumierung war unter den Palästinensern umstritten. Suha Arafat sprach von einem "sehr schmerzlichen" Akt, der aber nötig sei, um die Wahrheit ans Licht zu bringen. Ein Neffe Arafats und Präsident der Yasser-Arafat-Stiftung, Nasser al-Kidwa, sprach hingegen von "Leichenschändung". In seinen Augen ist längst klar, dass sein Onkel ermordet wurde, weitere Beweise seien nicht nötig.

Der schwer erkrankte Arafat war am 11. November 2004 im Alter von 75 Jahren in einem Militärkrankenhaus im Süden von Paris gestorben. Die genaue Todesursache wurde nie festgestellt. Die entnommenen Proben sollen nun in Laboren in Frankreich, Russland und der Schweiz auf mögliche Giftrückstände untersucht werden.

Viele Araber verdächtigen Israel, hinter dem Tod Arafats zu stecken, was der jüdische Staat bestreitet. Nach zweieinhalbjähriger israelischer Belagerung seines Amtssitzes hatte sich Arafats Gesundheitszustand im Oktober 2004 plötzlich so sehr verschlechtert, dass er in ein französisches Militärkrankenhaus gebracht wurde, wo er einen Monat später starb. Arafats Ärzte nannten keine konkrete Todesursache. Eine Autopsie war damals auf Antrag der Witwe Suha nicht angeordnet worden.

Im August dieses Jahres hatte Suha Arafat schließlich an einem Gericht in Nanterre bei Paris doch die Aufnahme von Mordermittlungen beantragt - allerdings ohne einen konkreten Verdacht zu nennen. In von der Witwe für eine Fernseh-Dokumentation zur Verfügung gestellter Kleidung Arafats hatte ein Schweizer Institut eine hohe Konzentration des radioaktiven Stoffs Polonium-210 gefunden. Mit dem Mittel war der russische Regierungskritiker und frühere Agent Alexander Litwinenko 2006 in London vergiftet worden.

"Die Untersuchungen werden mehrere Monate dauern, um alles zu prüfen, gegenzuprüfen und nochmals gegenzuprüfen und deshalb glaube ich nicht, dass wir etwas Konkretes vor März oder April nächsten Jahres haben", sagte der Sprecher der Universitätsklinik in Lausanne, Darcy Christen. Das Krankenhaus hatte auch die ersten Untersuchungen von Arafats Kleidern geleitet und im August den Sinn einer Untersuchung in Frage gestellt, falls der Zugang zu Arafats Leichnam bis in den Oktober oder November verschoben würde. Weil das radioaktive Material schnell zerfällt, gelten acht Jahre als Grenze für den Nachweis von Polonium-Spuren.

Der Nuklearforscher Jean-Rene Jourdain vom französischen Strahlenschutzamt IRSN meinte, dass der Nachweis einer Vergiftung mit Polonium 210 nicht einfach sei. Alle 138,4 Tage werde der Stoff um die Hälfte abgebaut, weshalb im Fall einer Vergiftung acht Jahre nach Arafats Tod rund zwei Millionen Mal weniger Gift festgestellt werden könnte als zum Todeszeitpunkt.

Selbst wenn aber Polonium 210 in Arafats Gebeinen nachgewiesen werde, sei nicht sicher, ob er vergiftet worden sei, weil der Stoff auch direkt unter der Erdoberfläche in der Natur vorkomme, sagte Jourdain. Problematisch sei auch, dass Arafats innere Organe vermutlich weitgehend verwest seien, weshalb nur Knochenproben untersucht werden könnten.

Mehrere Experten hatten im Vorfeld die Möglichkeit einer radioaktiven Vergiftung bezweifelt, da sich Arafats Gesundheitszustand kurzfristig wieder gebessert und er nicht alle Haare verloren habe. (APA, 27.11.2012)