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Der Kampf gegen Obdachlosigkeit ist Teil des rot-grünen Regierungsabkommens in Wien.

Foto: apa/dpa/Maurizio Gambarini

Wien - In Wien sollen obdachlose Menschen direkt von der Straße in Wohnungen wechseln können. Das ist zumindest das Ziel des Projekts "Housing First". Dieses sei u.a. bereits in Finnland, Deutschland und Großbritannien erprobt worden und habe sich dort bewährt, betonten Sozialstadträtin Sonja Wehsely (SPÖ) und die grüne Sozialsprecherin Birgit Hebein am Montag. Für Wien wurde ein eigenes Modell entwickelt, seit September gibt es einen Pilotversuch: 50 Wohnungen stehen für Betroffene zur Verfügung.

Für Wehsely könnte "Housing First" sogar einen Paradigmenwechsel in der Wohnungslosenhilfe einleiten: Denn eine eigene Wohnung steht am Beginn und nicht erst - wie bisher - am Ende des Betreuungsverhältnisses. Da die Wiener Wohnungslosenhilfe auf einem Stufenmodell basiert, müssen Obdachlose im Normalfall erst mehrere Schritte durchlaufen, bis sie in ihre eigenen vier Wänden ziehen können.

Miete von Anfang an selbst bezahlen

Das neue Vorhaben verfolgt einen anderen Ansatz. Ohne vorherige Betreuung werden Hilfesuchende in Wohnungen untergebracht. Die Miete muss von Anfang an selbst bezahlt werden, erklärte Hebein. "Natürlich kann man nur einen Mietvertrag abschließen, den man sich leisten kann", fügte der Geschäftsführer des Fonds Soziales Wien, Peter Hacker, hinzu.

Zusätzlich können Betroffene eine professionelle Hilfe bei der Begleitung in die Selbstständigkeit in Anspruch nehmen, so Hebein. Allerdings wird bei "Housing First" die Verantwortung zwischen Betreuer und Wohnungseigentümer strikt getrennt. Dadurch sollen Menschen wieder früher selbstständig wohnen. "Bis jetzt haben wir die Wohnungslosen sehr an der Hand genommen", so Hacker.

Pilotversuch über Verein "Neunerhaus"

Ein Pilotversuch zu "Housing First" läuft seit September. Über den Verein "Neunerhaus" stehen 50 Genossenschafts- und Privatwohnungen zur Verfügung. Einige sind bereits vergeben, im nächsten halben Jahr sollen es dann alle sein. Die Kapazität soll weiter aufgestockt werden, so Hacker.

Gedacht ist das Angebot für obdach- oder wohnungslose Menschen. Damit können u.a. Personen unterstützt werden, für die das Zusammenleben eine schwer überwindbare Hürde darstellt und die in betreuten Einrichtungen nicht so gut mit Mitbewohnern auskommen. Außerdem muss eine eigene Wohnung als erstrebenswertes Ziel angesehen werden. Ausschlusskriterien sind u.a. Pflegebedarf sowie akute Selbst- und Fremdgefährdung. Zudem müssen die Menschen in der Lage sein, sich mit dem Wohnumfeld zu arrangieren.

350.000 Euro Budget

Die Betreuungsarbeit bei "Housing First" ist mit 350.000 Euro budgetiert. Das Projekt wird laufend evaluiert. Wehsely geht davon aus, dass man in zwei Jahren, also Ende 2014, sagen kann, ob das Modell "große Zukunft" hat und Teile des Stufenmodells ablösen kann oder ob es "ein Puzzlestein" ist. Die Umsetzung von "Housing First" ist im rot-grünen Regierungsübereinkommen verankert.

Es wurde allerdings bereits versichert, dass trotz der Einführung von "Housing First" das restliche Angebot erhalten bleibt. Jedoch erwarten die Verantwortlichen bei einem Erfolg, dass die Zahl der Plätze in anderen Bereichen, etwa in Nachtquartieren oder Übergangseinrichtungen, sinken wird.

Rund 80 Einrichtungen in der Stadt

Insgesamt stellt die Stadt mehr als 45 Millionen Euro für die Wohnungslosenhilfe zur Verfügung. Im Vorjahr wurden in den rund 80 Einrichtungen mit 4.500 Schlaf- und Wohnplätzen 8.280 Personen betreut. Zudem gab es in den zehn Nachtquartieren 373 Schlafplätze - Hilfesuchende nutzten dieses Angebot im Schnitt 20 Tage.

Wehsely betonte, dass man für den bevorstehenden Winter gerüstet sei. Innerhalb kurzer Zeit könnten bis zu 250 weitere Nächtigungsplätze geschaffen werden. Dafür wurde ein Budget von 400.000 Euro reserviert. Derzeit gebe es noch gut 50 freie Plätze in den Nachtquartieren. (APA, 26.11.2012)