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Letzte Woche erschien Rihannas jüngstes Album "Unapologetic".

Foto: John Shearer/Invision/AP

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Auf dem Album-Cover gibt sich der 24-jährige Pop-Star freizügig.

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"Unapologetic" heißt das neueste Album von Rihanna, das letzte Woche erschienen ist. Übersetzt bedeutet der Titel soviel wie: dreist sein, sich für nichts rechtfertigen. Schon vor seinem Veröffentlichungstermin sorgte das nunmehr siebte Studioalbum des 24-jährigen Pop-Superstars für Diskussionen. Im Mittelpunkt steht dabei ein ganz bestimmter Song: "Nobody's Business", ein Duett mit Ex- (oder wie die Regenbogenpresse seit den letzten Wochen nahe legt: Neo-)Freund und R'n'B-Sänger Chris Brown.

Privates und Öffentliches

Rückblende: Im Februar 2009, nur wenige Stunden vor ihrem geplanten gemeinsamen Auftritt bei der Grammy-Galashow, wurde Rihanna von Chris Brown brutal zusammengeschlagen. Kurz darauf veröffentlichte ein Internetdienst das mittlerweile berühmte Polizeifoto von Rihanna, das Gesicht übersät von Prellungen und Schwellungen, die ihr ihr damaliger Partner zugefügt hatte.

Trotz mancher reaktionärer Verharmlosungsreden ("Ohrfeigen für Rihanna" von "Prügelknaben" Chris Brown) und unerträglichem Voyeurismus (die "Karibik-Schönheit", deren Antlitz vom Partner kaputtgeschlagen wurde) herrschte in der darauf folgenden öffentlichen Debatte, in die sich auch explizit feministische Stimmen mischten, um Aufklärung und Mobilisierung gegen häusliche Gewalt zu pushen, die Meinung vor: Gewalt gegen Frauen ist eben nicht in Ordnung. Chris Brown, damals zwanzig Jahre alt, wurde angeklagt und unter anderem zu einer fünfjährigen Freiheitsstrafe auf Bewährung verurteilt. Seine öffentlichen, weinerlich wirkenden Entschuldigungen wollte niemand so wirklich ernstnehmen - zu Recht. 

Die breite Verurteilung von Browns Angriff auf Rihanna (der im Übrigen nicht der erste war) schien gerade deshalb möglich, weil die gesellschaftliche Einbettung männlicher Gewalt gegen Frauen nur bedingt zur Sprache kam. Männer, die Frauen schlagen, so meinten viele, hätten einfach persönliche Defizite. Entsprechend wurde Browns Psyche dämonisiert und Rihannas privates "Liebesdrama", dem ihre angebliche Vorliebe für "Bad Boys" vorausgehe, hervorgehoben.

Mittlerweile zeigt sich das Publikum wieder gnädiger, und nach einer Talfahrt konnte sich Chris Browns Musikkarriere wieder vollständig erholen: Heuer erhielt er einen Grammy für das "Beste R&B-Album" für sein Album "F.A.M.E."

"Wir gegen den Rest der Welt"

Doch zurück zu "Nobody's Business", einer infektiösen Pop-Dance-Nummer, die Retro-lastigen 90er-Piano-House-Flair verströmt und klare Ohrwurm-Qualitäten besitzt. Mit der wohl kalkulierten "Wir gegen den Rest der Welt"-Attitüde liest sich der Songtitel wie jener berüchtigte Schlussstrich, der unter die unrühmliche Vergangenheit gezogen werden soll.

Wie eine Rezensentin der BBC anmerkt, spielt der Titel auf gleichnamige historische Vorgänger von Billie Holiday bzw. Dinah Washington an, in denen die männliche Gewalt allerdings eine explizite Benennung erfährt. In vielen Besprechungen zum Album mischt sich eine gute Portion Empörung: Rihanna sei ein schlechtes Vorbild für junge Mädchen und Frauen. Sie käme ihrer Verantwortung als Role-Model nicht nach, wurde Rihanna etwa vom US-Magazin "Billboard" in einem offenen Brief getadelt, nachdem Chris Brown bereits im Frühjahr bei einer Remix-Version ihrer Single "Birthday Cake" aufgetreten war. KünstlerkollegInnen zeigen sich "persönlich" enttäuscht, Fans wenden sich ab unter der Klage, dass sie "jeglichen Respekt" für Rihanna verloren hätten.

Ein Kritiker der "New York Times" schrieb: "Du willst vergessen? Gut. Aber verzeih nicht." Immer schwingt die Drohung mit: Und wenn er dich wieder schlägt, verdienst du kein Mitgefühl. Damit werden die Gewalterfahrungen betroffener Frauen letztlich legitimiert: Die, die geschlagen wurden, müssen es nun mal besser wissen.

Undankbares Opfer

Die Brutalität, die Rihanna widerfuhr, und ihre anfängliche Haltung, die persönliche Gewalterfahrung zu einer gesellschaftlichen zu machen, ließen sie in den Augen der Öffentlichkeit zu einem "guten" Opfer werden. Davon zeugen auch zwei Aktionen, die kürzlich dokumentiert wurden: Bevor Chris Brown vergangene Woche ein Konzert in Stockholm ein Konzert gab, "bewarben" anonyme AktivistInnen das Event auf fragwürdige Art, indem sie Poster mit Rihannas blutigem Gesicht in der Stadt affichierten. In London tauchten CDs auf, auf denen der Sticker prangte: "Warnung. Kaufen Sie nicht dieses Album! Dieser Mann schlägt Frauen."

Doch nein, Rihanna ist "undankbar". Sie feiert, zeigt zuviel nackte Haut und scheint jetzt auch noch zu jenem Mann zurückzukehren, der sie beinahe bewusstlos schlug. Auch wenn Chris Brown keinerlei Sympathien verdient - die paternalistische Haltung gegenüber Rihanna, die sich beharrlich weigert, auf das Bild des Gewaltopfers reduziert zu werden, und dafür von jeder Menge HobbypsychologInnen durchleuchtet wird, scheint nicht besonders hilfreich. "Auf einen aufgeblasenen, gewalttätigen Trottel wütend zu sein, ist leicht", wie Kommentatorin Tamara Winfrey Harris auf guardian.co.uk schreibt. "Mitgefühl für ein unvollkommenes Opfer ist hingegen viel schwieriger." (Vina Yun, dieStandard.at, 27.11.2012)