Für Care Österreich soll Paska Layet Menschen in Norduganda beibringen, dass auch Frauen Rechte haben - und so etwas wie Gemeinschaft in der Gegend wiederaufbauen.

Foto: Tobias Müller

Kampala/Wien - Im Oktober und Mai ist es immer besonders schlimm, dann werden die meisten Mädchen vergewaltigt und Frauen verprügelt. "In der Zeit wird die Ernte eingebracht, da wird viel gestritten, die Emotionen gehen besonders hoch", sagt Paska Layet.

Sie arbeitet für die ugandische NGO Worudet, die mit Geld und Unterstützung von Care Österreich in und um die Stadt Ajolibur im Norden Ugandas Projekte umsetzt: Layet soll den Menschen hier beibringen, dass auch Frauen Rechte haben. Sie werden traditionell für einen Brautpreis von ihren Eltern verkauft, die Männer betrachten sie daher oft als ihr Eigentum. 70 Prozent sollen geschlagen und missbraucht werden. Auch sonst ist Gewalt hier weitverbreitet: So werden regelmäßig behinderte Kinder missbraucht, schlicht, weil sie sich am schlechtesten wehren können.

Der größte Empfänger

Uganda ist der größte Empfänger österreichischer Entwicklungshilfe, der Norden des Landes ist von Hilfe abhängig: Derzeit sind mehr als 100 NGOs in der Gegend aktiv, drei Viertel aller Menschen, die hier angestellt sind, arbeiten für Hilfsorganisationen. Daneben gibt es staatliche Wiederaufbauprogramme. Nun geht aber die Angst um, dass diese Hilfe weniger werden könnte.

Bis 2006 terrorisierte Joseph Kony mit seiner Kinderarmee, der Lord's Resistance Army, das Land. Die Menschen mussten ihre Dörfer und Felder verlassen und Jahre in Flüchtlingslagern leben. Soziale Gefüge und Gemeinschaften wurden zerstört, die Ex-Soldaten sind oft schwer traumatisiert.

Luxusautos statt Hilfe

In den vergangenen Wochen machte Norduganda erneut Schlagzeilen: Regierungsbeamte hatten zwölf Millionen Euro Spendengelder, die für die Gegend bestimmt waren, veruntreut, unter anderem sollen dafür acht Luxusautos für Minister gekauft worden sein. Mehrere europäische Länder stoppten daraufhin ihre Hilfszahlungen.

Zwar sind NGOs wie Care von Korruption nicht betroffen - sie investieren ihr Geld direkt vor Ort, ohne Umweg über die Regierung. Dennoch fürchten viele Helfer um den Ruf der Entwicklungsarbeit - und um Spendengelder. " Auch so geht die Entwicklung hier schon langsamer voran, als wir das erhofft haben", sagt Care-Mitarbeiter Janani Luwum.

Der Staat habe hier völlig versagt, meint er. Der Zuständige für die Regierungshilfe stamme wie der Präsident Yoweri Museveni aus dem Westen Ugandas, von einem Stamm, der mit den Acholi, der Bevölkerung des Nordens, verfeindet ist. Zudem ist der jüngste Korruptionsfall bei weitem nicht der erste: Mehr als 200 Millionen Euro sollen pro Jahr in dem Land durch Korruption verlorengehen.

Korrupte Politiker profitieren

2009 etwa gab die Weltbank der Regierung eine große Spende, um die Viehbestände der Gegend wieder aufzubauen. Drei Viertel des Geldes sollen in den Taschen korrupter Politiker gelandet sein. Statt Kühen sieht man hier immer noch großteils nur Ziegen und Hühner.

"Die Korruption geht in Uganda von ganz oben aus", sagt Frederic Musisi, Journalist bei der regierungskritischen Zeitung Daily Monitor. Der Großteil der aktuellen Minister seien immer noch alte Guerillakämpfer: " Diese Leute kommen aus dem Dschungel, sie sind der Meinung, dass ihnen ein Teil des Landes zusteht."

Geberländer in der Verantwortung

In den vergangenen Jahren, meint Musisi, habe Korruption zugenommen - schuld sind seiner Meinung nach auch die Geberländer: Sie würden Geld vermehrt an die Regierung vergeben, statt es in Projekte vor Ort zu investieren.

Seit 2005 sind aber auch verstärkt Korruptionsskandale aufgeflogen - " das kann auch ein Zeichen sein, dass die Kontrolle besser wird", sagt Simone Knapp. Sie arbeitet für die österreichische Entwicklungszusammenarbeit in Ugandas Hauptstadt Kampala.

Die Zahlungen an Ugandas Regierung verteidigt sie: Es sei unmöglich, nur mithilfe von NGOs eine unabhängige Justiz aufzubauen. Zudem dürfe der Staat etwa im Gesundheitswesen nicht aus der Verantwortung gelassen werden.

Sparverein und Ausbildung

Care, das Journalisten zu einer Reise eingeladen hat, arbeitet für seine " Genderbased Violence"-Projekte, wie sie im NGO-Sprech heißen, ausschließlich mit lokalen Organisationen zusammen. In den Dörfern werden Frauengruppen organisiert, deren Mitglieder sich beraten, bei der Feldarbeit helfen oder Sparvereine gründen.

Diese vergeben Kredite, und mit dem Geld können Frauen kleine Geschäfte aufbauen oder Geräte für die Landwirtschaft kaufen, zudem werden sie etwa zu Schneiderinnen geschult. Sie sollen so weniger abhängig werden von ihren oft saufenden Ehemännern. "Seit ich hier mitmache, will ich gar keinen neuen Mann mehr", erzählt etwa Margarette, die vom Vater ihrer sieben Kinder sitzengelassen wurde. "Wenn sie einer Frau etwas beibringen, gibt sie das Wissen auch an ihren Mann weiter. Wenn sie es dem Mann erklären, behält er es für sich", erklärt Luwum den Ansatz.

Friedfertigkeit als Vorbildeigenschaft

Die Männer werden von Care separat beraten, wie sie mit Aggressionen umgehen können. In jedem Dorf werden besonders friedfertige Männer als Rolemodels ausgewählt, sie sollen die anderen überzeugen, es ihnen gleichzutun.

Alfred, der einmal sieben Frauen und 30 Kinder hatte, galt als besonders brutal. Vier seiner Gattinnen, für die er je zehn Rinder bezahlt hatte, liefen ihm davon. Dann ließ er sich überzeugen, dass er weniger trinken und schlagen soll. Nun ist auch er zufrieden: Die Familie hat mehr Geld, " und der Sex ist auch besser geworden", sagt er.

Die Gewalt gegen Frauen sei im Acholiland jedenfalls weniger geworden, sagt Frauenrechtlerin Layet. Und auch sonst gibt es Fortschritte: Eine Familie kann sich laut Luwum bereits durchschnittlich zwei Mahlzeiten am Tag leisten - vor ein paar Jahren war es bloß eine. (Tobias Müller, DER STANDARD, 28.11.2012)