Mitt Romney und Ehefrau Ann in den Ferien in La Jolla.

Foto: Romney

Der Schnappschuss soll die neue Normalität symbolisieren, den Charme ungestörten Privatlebens, dessen sich Mitt Romney nach den Strapazen des Wahlkampfmarathons wieder erfreuen kann. Angetan mit T-Shirt und Khakihosen, steht der Ex-Kandidat am Herd, die Arme um Ehefrau Ann gelegt, das sonst so wohlfrisierte Haar ungekämmt, als sei er eben erst aufgestanden. Romney selber hat das Foto ins Netz gestellt, anscheinend, um so etwas wie Lockerheit zu vermitteln. Die wahre Botschaft aber ist eine andere. Selten ist ein Politiker, der dem wichtigsten Staatsamt der Welt so nahe war, derart schnell in der Versenkung verschwunden.

Während der 65-Jährige ausspannt im südkalifornischen La Jolla, sind die Granden seiner Partei gerade dabei, ihn so gründlich zu vergessen, wie es nur geht. Völlig überraschend kommt es nicht. Das politische Washington war schon immer eine Schlangengrube. Und Verlierer haben nichts zu lachen. Doch einen so radikalen Bruch wie im Falle Romneys hat selbst die Hauptstadt noch nie erlebt. Frühere erfolglose Kandidaten konnten häufig dort anknüpfen, wo sie vor der Bewerbung ums Oval Office aufgehört hatten. Selten war es ein glänzendes Comeback, aber auch selten Blamage.

Wendehals

John McCain, der 2008 gegen Barack Obama verlor, kehrte in den Senat zurück, wo er als streitbarer Außenpolitiker noch immer fast täglich vor einer Kamera steht. Bob Dole, 1996 chancenlos gegen Bill Clinton, blieb ein geschätzter Ratgeber, eine Art Elder Statesman in zweiter Reihe. Im Lager der Demokraten profilierte sich John Kerry, der 2004 den Kürzeren gegen George W. Bush zog, als Weltstratege, dass er als nächster Außen- oder Verteidigungsminister gehandelt wird. Al Gore, vier Jahre vor Kerry gegen Bush unterlegen, reüssierte in der Rolle des Umweltgewissens. Romney indes geht es wie einst dem geschassten Mitglied eines sowjetischen Politbüros, an das über Nacht nichts mehr erinnern soll. Parteifreunde lassen ihn fallen, als trage er ganz allein die Schuld für die Niederlage am 6. November.

Sein Problem ist, dass er nie wirklich dazugehörte zum zentralen Netzwerk der Republikaner. Einst Geschäftsmann, dann Gouverneur von Massachusetts, war er in der nationalen Politik ein Seiteneinsteiger ohne Seilschaften. Was er im Wahlkampf als Pluspunkt anbrachte, lässt ihn nun im Abseits landen. Larry Sabato, Politikwissenschaftler der University of Virginia, vergleicht den kühlen Rechner mit einem " Maschinenmenschen, extra gebaut, um die Präsidentschaft zu gewinnen. Als er scheiterte, landete er auf dem Schrotthaufen."

Zu sehr symbolisiert Romney das Dilemma der Konservativen, schon vom Habitus her: ein älterer weißhäutiger Mann, der in Stil und Sprache eher an die fünfziger Jahre denken lässt als ans 21. Jahrhundert. Für eine Partei, die einen Fehler zu korrigieren und sich ethnischen Minderheiten zuzuwenden gedenkt, um Schritt zu halten mit Amerikas veränderter Demografie, wird er zum Störfaktor. Umso willkommener Romneys jüngster Tritt ins Fettnäpfchen, der manchem Wendehals den Abschied erleichtert. Obama, so der Multimillionär, habe nur deshalb gesiegt, weil er seine Zielgruppen, nämlich Hispanics, Afroamerikaner, Frauen und Studenten, mit Wahlgeschenken bedachte.

Obama-Geschenke

Nicht nur für Jon Stewart, den brillanten Satiriker, war es ein gefundenes Fressen: Herrlich, wie Stewart mit gespieltem Entzücken Geschenke aus einer Obama-Tüte auspackte, vom Papp-Pferdchen voller Greencards für Hispanics bis hin zu Lebensmittelmarken im Häkelstrumpf. Auch die Grand Old Party mag ihrem gestrigen Spitzenmann den garstigen Ton nicht mehr verzeihen. "Wenn du in der Grube hockst, musst du aufhören zu graben - und er gräbt immer weiter", zürnt Lindsey Graham, ein Südstaatensenator aus South Carolina. Noch deutlicher sagt es Bobby Jindal, Louisianas Gouverneur mit indischen Wurzeln, der eine Zeit lang überaus eifrig um Romneys Gunst buhlte, woran er freilich nur ungern erinnert werden möchte. "Wenn wir wollen, dass die Leute uns mögen, müssen wir zuerst die Leute mögen", hat Jindal erkannt. "Du fängst nicht damit an, indem du sie beleidigst." (Frank Hermann, DER STANDARD, 29.11.2012)