Ernst Strasser machte immer den Eindruck des 150-Prozentigen. Es gab Zeiten, da präsentierte er sich als (relativ) liberaler ÖVPler, suchte intensiv den Kontakt zu Medien, mit denen er manchmal Grundsätzliches diskutierte. Dann wurde er Innenminister. Zunächst wies er die Polizei an, Zurückhaltung gegen Anti-Schwarz-Blau-Demonstranten zu üben. Gleichzeitig zog er aber eine eisenharte "Ausländer"-Politik durch und betrieb eine noch härtere Umfärbungspolitik im Sicherheitsapparat.

Andererseits wieder war der Innenminister Ernst Strasser in der schwarz-blauen Koalition echt wütend darüber, dass er die Polizisten, die für die FPÖ Journalisten und andere bespitzelten, aus Schüssels Koalitionsräson nicht zur Verantwortung ziehen durfte. Oder war er nur zornig über die blauen Maulwürfe in seinem Ressort? 2004 ging er als Innenminister. Hatte er Schüssel das Amt hingeschmissen oder hatte Schüssel ihn (aus welchen Gründen auch immer) zurückgetreten?

Er polte unter seltsamen Umständen einen Mega-Auftrag für "Blaulicht" -Funk von einem Konsortium auf das andere um. Jetzt erlebt die Öffentlichkeit einen Ex-Innenminister, der sich vor Gericht mit einer Agentenstory verteidigen will. Immer extrem - einmal in die eine, einmal in die andere Richtung, immer 150-prozentig, immer getrieben von einem mächtigen Über-Ich, immer auf der Suche nach dem wahren Ernst Strasser.
 (Hans Rauscher, DER STANDARD, 29.11.2012)