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Siemens-Chef Peter Löscher drückt beim Konzernumbau aufs Tempo. Tausende Arbeitsplätze sollen auf dem Spiel stehen.

Foto: reuters/TOBIAS SCHWARZ

München - Siemens-Chef Peter Löscher versucht sich an einer großen Aufräumaktion und drückt beim Konzernumbau aufs Tempo. Nach wachsender Kritik krempelt der Manager nun zügig das Portfolio seines Hauses um und räumte mit dem Segen des Aufsichtsrats noch einige Altlasten ab. Am Mittwochabend verkündete das Unternehmen den Kauf der Bahntechniksparte des britischen Technologiekonzerns Invensys, um sein krisengeschütteltes Zuggeschäft zu stärken. Dafür will Löscher 2,2 Milliarden Euro springen lassen.

Ausverkauf ungeliebter Bereiche

Zugleich setzt der Vorstandschef den Ausverkauf von ungeliebten Bereichen fort. Nach dem Solargeschäft und der Wassertechnik will sich der Österreicher nun auch von dem Sortiermaschinen-Segment trennen. Außerdem segnete der Aufsichtsrat die Pläne für die Abspaltung der Leuchtmitteltochter Osram ab, deren Aktien im Frühjahr zu vier Fünfteln an die Aktionäre verschenkt werden sollen.

Abgesehen von Osram seien die anstehenden Transaktionen Teil des Sanierungsplans, mit dem Siemens bis 2014 rund sechs Milliarden Euro sparen und die operative Rendite auf zwölf Prozent trimmen will. Neben Einsparungen im Einkauf und Personaleinschnitten hatte Löscher bereits angekündigt, auch wenig profitable Geschäftsfelder abzustoßen und das verbleibende Kerngeschäft mit Zukäufen zu erweitern.

Mit dem Kauf der Invensys-Sparte baue Siemens seine Präsenz im globalen Wachstumsmarkt für Bahnautomatisierung aus, erklärte Roland Busch, Chef des Sektors Infrastruktur & Städte. Der begehrte Bereich der Briten machte zuletzt einen Jahresumsatz von 800 Millionen Pfund mit Signal- und Leittechnik für den Schienenverkehr. Die Aktionäre der Briten, die Gläubiger und die Regulierungsbehörden müssen noch zustimmen. Die Invensys-Aktie legte gegen Handelsschluss um gut 27 Prozent zu.

Verzögerte Auslieferung von ICE-Zügen

Das Geschäft mit Sortieranlagen für Gepäck an Flughäfen und Poststücke will Busch indes nicht mehr haben. Von der anstehenden Trennung sind 3600 Mitarbeiter betroffen, die zuletzt zum Konzernumsatz 900 Millionen Euro beitrugen. Die Rendite im mittleren einstelligen Bereich genügt allerdings den neuen Siemens-Ansprüchen allerdings nicht mehr. Wegen des hohen Mechanikanteils gebe es nur wenig Synergien mit anderen Siemens-Divisionen. "Es ist ein hoch spezialisiertes Nischengeschäft, in dem vornehmlich mittelständische Unternehmen tätig sind", hieß es.

Vorstandschef Löscher war in den vergangenen Monaten wegen sinkender Margen und mehrerer missratener Projekte unter Druck geraten, zuletzt wegen der verzögerten Auslieferung von ICE-Zügen an die Deutsche Bahn. Einzelne Analysten zählten ihn bereits an. "Als Löscher 2007 bei Siemens anfing, hat er beteuert, verlässlich zu liefern - bisher ein leeres Versprechen", sagte Heinz Steffen von Alphavalue, bevor Siemens seine neuen Pläne bekanntgab. "Er hat seine zweite Amtszeit im Juli 2012 angetreten. Wir rechnen nicht damit, dass er sie zu Ende bringt. Der Leistungsdruck wird zunehmen und es braucht dringend neue, weniger verlustreiche Ideen."

Auch Osram kann dem Abschied aus der Siemens-Familie nun konkreter entgegen sehen. Die Aktionäre des Konzerns sollen 80,5 Prozent der Anteile der Leuchtmitteltochter bekommen. Je zehn Siemens-Aktien sollen die Eigner einen Osram-Anteilsschein als Dreingabe erhalten. Die Abspaltungspläne müssen auf der Hauptversammlung am 23. Januar noch eine Mehrheit von drei Vierteln der Stimmen bekommen. Bei Siemens direkt verbleiben zunächst 17 Prozent an Osram, der firmeneigene Pensionsfonds bekommt 2,5 Prozent.

Für die Münchner ist der sogenannte Spin-off nach den gescheiterten Börsenplänen ein Ausweg, um die ungeliebte Leuchtmitteltochter loszuwerden. Siemens ist nicht mehr bereit, in das sich schnell wandelnde Geschäft mit Beleuchtungstechnik zu investieren. Osram steht zudem eine auf dem Weg in das Zeitalter der Leuchtdioden (LED) eine weitere Sanierungswelle bevor.

Tausende Arbeitsplätze auf dem Spiel

Der Aufsichtsrat der Tochter soll bereits am Donnerstag weitere Einschnitte vor allem im Auslandsgeschäft absegnen. Kreisen zufolge stehen tausende Arbeitsplätze bei dem Traditionsunternehmen auf dem Spiel, das weltweit mit 39.000 Mitarbeitern einen Jahresumsatz von rund fünf Milliarden Euro erwirtschaftet. Im Geschäft mit den Energie sparenden und langlebigen LED-Lampen hat Osram mit knallharter Konkurrenz aus Asien zu kämpfen. Vor allem die koreanischen Hersteller Samsung und LG setzen den Münchnern zu. In Deutschland läuft bereits eine Sparrunde. Binnen Jahresfrist hat Osram zuletzt weltweit bereits 2000 Stellen abgebaut.

Schließlich zog Siemens am Mittwoch noch den Schlussstrich unter zwei Personalthemen. Einkaufschefin Barbara Kux werde den Vorstand im kommenden Herbst verlassen, hieß es. Der Einkauf werde in die operativen Einheiten integriert, dann nimmt die intern umstrittene Schweizerin ihren Abschied. Zudem einigte sich der Aufsichtsrat mit dem vorletzten der ehemaligen Vorstände auf einen Vergleich im Streit um Schadenersatz für die Folgen des Korruptionsskandals. Der einstige Topmanager Thomas Ganswindt habe einer außergerichtlichen Einigung zugestimmt. Details würden mit der Einladung zur Hauptversammlung veröffentlicht. Somit fordert Siemens lediglich noch von Ex-Finanzchef Heinz-Joachim Neubürger Millionen für den Schaden der Schmiergeldaffäre. (APA, 28.11.2012)