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Der mögliche Lebenszyklus des gemeinen Kaugummis: Vom Gustostückerl ...

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... über ein liebloses Abfallprodukt bis hin ...

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... zum Opfer (oder Täter).

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Es gibt sie in allen Farben, mit oder ohne Zucker, zu Blasen geformt, dezent oder schmatzend gekaut. Auf der Straße eingetreten wirken sie, als ob sie zum Muster des Bodens gehörten. Kaugummis haben viele Leben, bevor sie oft achtlos im öffentlichen Raum ausgespuckt werden. Was für viele zum Volkssport geworden ist, ist mehr als ein klebriges Ärgernis für Städte und Gemeinden. Denn kaum etwas haftet so hartnäckig am Boden wie der Kaugummi. "Er gehört zu den am schwierigsten zu entfernenden Verschmutzungsarten", charakterisiert ihn Bram van Laar, Geschäftsführer der niederländischen Reinigungsfirma Jadon im Gespräch mit derStandard.at.

Van Laars Unternehmen hat sich europaweit als erste Firma auf die Entfernung von Kaugummis im Innen- und Außenbereich spezialisiert. Die Anfänge waren eher zögerlich. Van Laar und seine zwei Mitarbeiter bekamen den Auftrag, buntes, genauer gesagt, rotes und gelbes Pflasterwerk von Moos und Algen zu befreien. Das Ergebnis? Van Laar schmunzelnd: "Alles war sauber. Alles, auch die Kaugummis. Die Kleckse leuchteten strahlend weiß hervor. Das Ergebnis sah sehr schlecht aus."

 

Die Tüftelei begann. "Es gibt so viele Arten von Kaugummis, alte, frische, alle haben unterschiedliche Rezepturen. Es hat vier Jahre gedauert, bis wir die geeignete Methode gefunden hatten", so der Jadon-Chef. Geholfen haben nicht zuletzt kleinere Arbeitsaufträge. "Wir hätten ja nicht den ganzen Tag Kaugummi kauen können, um sie dann wegzuwerfen und festzutreten. Also haben wir in Shopping-Zentren herumprobiert, dann wieder eine Woche getüftelt, wieder getestet und so weiter."

Wasser, nur Wasser

Mit nur drei Maschinen und sechs Mitarbeitern reinigt er heute Einkaufsstraßen, Marktplätze, Gehsteige, Parkhäuser, Bahnhöfe, Flughäfen oder Einkaufszentren. Das Verfahren basiert auf einer Reinigung mit Dampf und heißem Wasser unter hohem Druck. Während der Reinigung wird das gebrauchte Wasser einschließlich des Schmutzes direkt aufgesaugt. Der gesamte Prozess ist abgeschirmt, wodurch so gut wie kein Spritzwasser freikommt. Alle denkbar festen Böden könnten damit gereinigt werden. "Wir arbeiten mit reinem Wasser, in dem sich mit Sicherheit keine Chemikalien oder Schadstoffe wie Weichmacher für Kaugummis oder Emulgatoren befinden", so van Laar. Die Technik hat er mittlerweile patentieren lassen. Bis heute werden die Maschinen in Eigenregie gebaut und entwickelt. Das Geschäft boomt. Aufträge kommen aus fast ganz Europa, die meisten aus Deutschland, Holland und Belgien.

Die Kosten der Kaugummi-Reinigung liegen je nach Grad der Verschmutzung und Bodenbelag bei 2,50 bis 3,50 Euro pro Quadratmeter. Von der - kaum vorhandenen - Konkurrenz unterscheidet sich seine Firma laut van Laar durch Effizienz: "Die anderen Unternehmen arbeiten mit der Hand. Jeder Kaugummi-Fleck wird entweder mit einer Dampf- oder Eis-Lanze entfernt. Das dauert pro Klecks circa fünf bis sechs Sekunden." Die Jadon-Konstrukte ziehen mit ihren Wägen einen ein Meter breiten Streifen und entfernen bei starker Verschmutzung 85 bis 90 Prozent der Kaugummis. Die Restflecke werden mit einer Dampfwalze nachbearbeitet.

Sparen trifft auch Reinigung

Grundsätzlich gilt: Je größer der Fleck, je heißer der Sommer, umso schwieriger die Entfernung. Dennoch werde das ganze Jahr über gearbeitet, mit einer kleinen Ausnahme. Van Laar: "Bei Minustemperaturen reinigen wir keine Fußgängerzonen. Technisch wäre es kein Problem, aber da wir mit Wasser arbeiten, würde es recht glatt und ungemütlich für die Menschen werden." Im Schnitt reinigt sein Team 1.000 Quadratmeter pro Tag, bei Aufträgen von 15.000 bis 20.000 Quadratmetern. Bis zum Ausbruch der Wirtschaftskrise konnte Jadon seine Aufträge jährlich um 50 Prozent steigern. Jetzt aber würden die Gemeinden und Kommunen sparen, so der Niederländer. 200 Aufträge sind es aber trotzdem noch.

Immer bunter, immer mehr

Die Vielfalt von Kaugummis nimmt zu. Noch nie wurden so viele verschiedene Sorten angeboten. Doch, und da schlägt noch einmal das Umweltherz van Laars, mit einem gereinigten Gehsteig steige auch die Hemmung der Menschen, sich des Kaugummis spuckend zu entledigen. Wahrscheinlich sogar mehr, als durch die vorgesehenen Strafen von 20 bis knapp 40 Euro in manchen deutschen Städten. Hingegen: "Dreck zieht Dreck an." In Extremfällen hätte er schon Plätze gesehen, auf denen von einem Quadratmeter Boden außer Kaugummis nichts mehr zu sehen war. Sonst, so die Schätzung van Laars, liege die durchschnittliche Anzahl der klebrigen Abfälle in seinem Aktionsgebiet bei 20 bis 50 Stück.

Ein Problem, das man in Wien so nicht kennt. "Hundstrümmerln und Zigarettenstummeln sind das viel größere Problem", so Ulrike Volk von der Magistratsabteilung 48 für Abfallwirtschaft und Straßenreinigung auf Anfrage. Zudem seien 50 hauptberufliche und 370 nebenberufliche Waste Watchers im Einsatz, die bei nicht ordnungsgemäßer Entsorgung des Kaugummis eine Ordnungsstrafe von 36 Euro verhängen dürften. Vorausgesetzt, man wird auf frischer Tat ertappt. "Wenn gereinigt wird, dann mit Kärcher und manuell mit Spachteln."

Bram van Laar, der sich schon einmal vor Ort in Wien umgesehen hat, kann sich dagegen eine Lizenzvergabe für Österreich vorstellen: "In der Wiener Innenstadt wurden sehr schöne neue Pflastersteine verlegt. Das wären schon interessante Kunden." (Sigrid Schamall, derStandard.at, 30.11.2012)