Wien - In Österreichs Flugbranche gibt es eine spektakuläre Insolvenz. Die Jetalliance Flugbetriebs GmbH - Mitte der 1990er Jahre als Bedarfsflugunternehmen "Magna Air" gegründet - musste nach einer 6,4 Millionen Euro schweren Steuer- und Sozialversicherungsnachforderung Insolvenz anmelden. Konkret: Ein Sanierungsverfahren mit Selbstverwaltung. Jetalliance nahm dabei gleich ein eng kooperierendes und minderheitlich kapitalverflochtenes Unternehmen mit: Die Wiener Personalleasingfirma "Workforce", wo 180 Mitarbeiter vom dortigen Konkurs betroffen sind. Magna- und Parteigründer Frank Stronach ist noch immer Minderheitsaktionär an Jetalliance.

Sparpakete und Einschnitte

Jetalliance hatte vor Beginn eines harten Restrukturierungskurses mehr als 320 Leute, die meisten auch damals"geleast". Dann begannen 2009 Sparpakete, mit radikalen Personalschnitten und wiederholten Finanzspritzen. Derzeit hat die Jetalliance Flugbetriebs GmbH direkt nur 4 Angestellte, weitere 89 (Piloten, Flugbegleiter, Techniker etc.) über eine Personalleasingfirma. Die meisten davon in der Workforce. An dieser Personalleasingfirma hält Jetalliance nach APA-Informationen knapp 17 Prozent, man war auch einer der Gründungsgesellschafter des Arbeitskräfteüberlassers.

Jetalliance mit Sitz in Kottingbrunn ist Hauptkunde der Wiener Personalleasingfirma. Workforce blieb nun auf einer Millionenforderung gegen den Flugbetreiber sitzen. 60 der 90 Millionen Euro Umsatz der Jetalliance-Gruppe stammen von der Flugbetriebs GmbH. Der Rest wird mit Werft, Flugzeugverkauf und Flugschule umgesetzt.

Chef gibt Krankenkassa Schuld

Jetalliance-Chef und Miteigentümer Lukas Lichtner-Hoyer sprach am Freitag gegenüber der APA von einem Desaster. Er sei erschüttert. Er gibt ausschließlich der Krankenkasse die Schuld. Nach Betriebsprüfungen hatte die niederösterreichische Gebietskrankenkasse für die Jahre 2007 bis 2009 Rückstände von 6,4 Mio. Euro festgestellt: Lohnsteuer, Sozialversicherungsabgaben und Lohnnebenabgaben wären nachzuzahlen. Diese Zahlungspflichten waren nun Insolvenzgrund für die Flugbetriebs GmbH, da dafür Rückstellungen zu bilden sind, was das Eigenkapital tiefrot färbt.

Der Kreditschutzverband (KSV) von 1870 hat die Insolvenzschulden der Jetalliance Flug GmbH heute mit 28,9 Mio. Euro beziffert, inklusive der in Rede stehenden Steuer/Abgabenverpflichtung. Diesen Schulden stehen 17 Millionen an Aktiva gegenüber, vorwiegend Forderungen gegen Kunden und verbundene Firmen. Die Schulden könnten allerdings auf bis zu 55 Millionen ansteigen, wenn es nicht gelingt, den Fortbetrieb zu sichern. Denn dann würden hohe Haftungen schlagend. Jetalliance will, wie heute mehrfach betont wurde, auf jeden Fall weitermachen. Es geht immerhin auch um den Erhalt der Fluglizenzen. Den Gläubigern werden aktuell 30 Prozent "Sanierungsplanquote" geboten. Nach heutigen Angaben sind 330 Gläubiger betroffen.

"Behördliche Fehlentscheidung"

Lichtner Hoyer sieht in den Steuer- und Abgabenbescheiden eine "eklatante behördliche Fehlentscheidung". Er will dagegen berufen und durch alle Instanzen gehen. Auch die Aussetzung der Nachzahlung hat er beantragt. Sein Argument: Die Behörde habe den Rückstand auf "behauptete Dienstverhältnisse" begründet, "die es nicht gab" - nämlich etwa auf ausländische Piloten und Kabinenpersonal, die gar kein österreichisches Dienstverhältnis hätten. "Das waren auch keine Dienstverhältnisse in der Workforce, für die wurden immer alle Steuern und Abgaben bezahlt", fügte Lichtner-Hoyer hinzu.

Die Behörde errechne nun Steuer- und Abgabenrückstände für Beschäftigte, die "nie Dienstnehmer der Jetalliance Flugbetriebs GmbH waren", so der CEO der Jetalliance. Die Gesellschaft fungiere bloß als Betreiber und nicht als Eigentümer. Sie kümmere sich um Wartungen, Genehmigungen oder Rechnungen und reiche diese Kosten an den jeweiligen Flugzeugeigentümer weiter. Sie verfüge über keine eigenen Flugzeuge. Auch die Personalauswahl (inklusive Einsatzort, Gehalt, Urlaub, etc.) werde vom jeweiligen Flugzeugeigentümer getroffen.

Inländisches Dienstverhältnis oder nicht

Jetalliance führte ein Beispiel an: "Ein Flugzeug gehört einem afrikanischen Geschäftsmann, steht in Nigeria und wird von einem südafrikanischen Piloten im internationalen Verkehr geflogen. Dieser Pilot besitzt für Österreich weder eine Aufenthaltsgenehmigung noch Ansprüche an das österreichische Sozialsystem. Trotzdem sollen wir jetzt für diesen Piloten Sozialversicherungsabgaben, Kommunal-und Lohnsteuer entrichten. Hier wird ein inländisches Dienstverhältnis behauptet, das gar nicht existiert. Für unsere Beschäftigten in Österreich haben wir ja immer pünktlich unsere Abgaben entrichtet." Die anderen Firmen der Jetalliance Gruppe sind von dem Insolvenzverfahren nicht betroffen, wird betont.

Die Businessflugfirma Jetalliance wurde Mitte der 1990er Jahre als "Magna Air Luftfahrt GmbH" und Tochter des Magna-Konzerns des Austrokanadiers Frank Stronach gegründet Die jetzige "Flugbetrieb GmbH" gehört heute der "Jetalliance Holding AG", die sechs Gesellschafter hat, darunter Lukas Lichtner-Hoyer. Hauptgesellschafter dieser Zwischenholding ist die "Business Aviation Holding", an der Lichtner-Hoyer ebenso wie Magna-Gründer Stronach mit je rund einem Drittel beteiligt sind. Durchgerechnet dürfte Stronach an der Flugfirma heute mit etwa einem Zehntel beteiligt sein.

Der Mödlinger Rechtsanwalt Günther Viehböck wurde zum Sanierungsverwalter bestellt. Wie die Gläubigerschutzverbände KSV 1870 und Creditreform mitteilten, können die betroffenen Gläubiger ihre Forderungen bis 22. Jänner anmelden. Die erste Gläubigerversammlung ist am 18. Dezember, die Prüfungstagsatzung am 5. Februar 2013. Die Sanierungsplantagsatzung - also die Abstimmung über den Sanierungsplan - wurde für den 26. Februar beim Landesgericht Wiener Neustadt anberaumt.  (APA, 30.11.2012)