Langsam legt sich die Aufregung wieder, die die Grüne Wiener Vizebürgermeisterin Maria Vassilakou mit ihrer Forderung nach einer 7-Euro-Mietzins-Obergrenze hervorrief. Die nachfolgende Diskussion übers Wohnen war kurz, aber heftig; im Großen und Ganzen lief genau jene Mietrechts-Debatte, die seit fünf, sechs Jahren unterhalb der Wahrnehmungsgrenze der nicht einschlägig interessierten Menschen geführt wurde, plötzlich und auf eineinhalb Wochen gerafft (sowie mit ein wenig Populismus gewürzt) ab.
Dass sie vorerst zu nichts führte, steht auf einem anderen Blatt. Aber die Grünen lassen ohnehin nicht locker, sie wollen das Thema Wohnen nun erst mal auch auf Bundesebene verstärkt auf die Agenda setzen. Von den mittlerweile berühmten 7 Euro ist in einem Resolutionsantrag für den grünen Bundeskongress zwar keine Rede mehr, dafür steht dort eine andere Idee, die nun offenbar unter die Leute gebracht werden soll: Sämtliche Wohngebäude sollten generell in den Anwendungsbereich des Mietrechtsgesetzes fallen, sobald diese 25 Jahre alt sind.
Dass die Immobilienwirtschaft gegen diesen Vorschlag Sturm laufen wird, liegt auf der Hand. Frei vereinbarte Mieten wären dann nur noch 25 Jahre lang ab Fertigstellung bzw. Übergabe der (frei finanziert errichteten) Wohnungen an die Erstmieter möglich. Was die Umsetzung aber noch schwieriger als die absehbare Konfrontation mit Hausbesitzern und Investoren machen dürfte, ist die Tatsache, dass auch manche Mieterschützer nichts davon halten. Sie fürchten, dass die Mieten im freien Markt dann noch stärker steigen könnten als zuletzt.
Linkes Bündnis
Hier wird es also noch einiges zu diskutieren geben. Weil die Situation auf dem Wiener Wohnungsmarkt auch jetzt schon angespannt ist, hat sich noch eine weitere Initiative formiert: "Wilder Wohnen" ist ein Bündnis linker bzw. dezidiert KPÖ-naher Interessenvertretungen und Aktivisten, dem auch der Leopoldstädter KPÖ-Bezirksrat Josef Iraschko angehört. Anlässlich des 90-jährigen "Jubiläums" des österreichischen Mietrechts - am 7. Dezember 1922 wurde das "Bundesgesetz über die Miete von Wohnungen und Geschäftsräumlichkeiten" beschlossen - veranstaltet die Gruppe in den nächsten Wochen eine Reihe von Diskussions- und Vortragsabenden (Programm siehe Website). Iraschko selber wird zum Beispiel am 5. Dezember "Geschichte und aktuelle Tendenzen" des heimischen Mietrechts erörtern.
Am genauen Datum des Mietrechts-Jubiläums, dem 7. Dezember (Freitag), hält das Bündnis zudem einen "Aktionstag" in Form eines "öffentlichen Protest-Wohnzimmers am Praterstern" ab. Weil auch die Wiener Hausbesetzer-Szene, unter anderem jene aus der Mühlfeldgasse, mit von der Partie ist, wird dabei auch viel über "Strategien alternativer Raumaneignung" geredet werden.
Genau das ist allerdings auch der Grund, warum das Aktionsbündnis nicht breiter ausgefallen ist, als sich Iraschko das gewünscht hätte. Er wollte beispielsweise auch die SP-nahe Mietervereinigung im Boot haben. Daraus wurde nichts, Mietervereinigungs-Präsident Georg Niedermühlbichler ließ ihn abblitzen. Iraschko freut sich dafür über die fortschreitende Internationalisierung der Plattform, die mittlerweile mit wohnungspolitisch Gleichgesinnten etwa in Spanien und Deutschland in Kontakt stehe. Auch deshalb spricht der KPÖ-Bezirksrat von einer "Aufbruchstimmung", die er derzeit wahrnehme; mit den 20 Prozent für seine Parteigenossin Elke Kahr in Graz habe das nicht unbedingt etwas zu tun.
Strategiepapier "Wohnen 2020" wird präsentiert
"Jetzt oder nie", diese Devise trommelt schließlich auch Bau-Gewerkschafter Josef Muchitsch. Wie berichtet, hat die Initiative "Umwelt + Bauen", als deren Frontmann Muchitsch fungiert, ein Strategiepapier namens "Wohnen 2020" erarbeitet. Aus den Plänen, das Papier auf der jüngsten Regierungsklausur zum Thema zu machen, wurde zwar nichts, aber Muchitsch berichtet von sehr wohlwollenden Reaktionen von ÖVP-Regierungsmitgliedern.
Das Papier soll nun schon in den nächsten Tagen der Öffentlichkeit präsentiert werden. Einer der Eckpunkte ist die Schaffung einer "Bundeswohnbauagentur", die ohne Rücksicht auf regionale Interessen "bedarfsorientiert" die Vergabe der Wohnbaufördergelder lenken soll. Punkto Finanzierung einer großangelegten Neubau- und Sanierungsoffensive schielt man auf die Europäische Investitionsbank (EIB) - diese sei "der Schlüssel" zu einem innovativen Finanzierungsinstrument, gab der ebenfalls der Plattform angehörende Geschäftsführer der "Gemeinschaft Dämmstoff-Industrie" (GDI), Franz-Roland Jany, in einer Aussendung bekannt.
Es wird sich also noch einiges tun, bevor der Weihnachtsfriede einkehrt. (Martin Putschögl, derStandard.at, 30.11.2012)