Einige ergänzende Anmerkungen zum "Wahlzuckerl"-Konjunktur-Kommentar von Alexandra Föderl-Schmid ("Zeiten fokussierter Unintelligenz", Standard, 24. 11.)
Erste Aufgabe des österreichischen Staatsschuldenausschusses ist die " Einschätzung der finanzpolitischen Lage" (§1 BundesG über die Errichtung des Staatsschuldenausschusses). Wie gut, dass der Staatsschuldenausschuss nicht gefordert ist, eine realistische Einschätzung abzugeben, denn dann hätte Professor Bernhard Felderer an dessen Spitze - als Präsident des Ausschusses - wohl nichts zu suchen.
Felderer hat jüngst ein Musterbeispiel an Realitätsverweigerung geliefert, als er am 9. November 2012 beim Infrastruktur-Symposium in Wien verkündete, es sei "genügend Geld vorhanden", besonders für den Ausbau bei der Bahn. Mehr noch: Man solle versuchen, die Mittel für die Schiene "eher noch zu erhöhen als abzusenken".
Seit 20 Jahren gibt Österreich Jahr für Jahr mehr für den Ausbau der Bahn als für das hochrangige Straßennetz aus, und in den nächsten zwei Jahrzehnten sollen nochmals mehr als 50 Milliarden Euro hinzukommen. Dieses irrwitzige Ausbauprogramm (mit seinen Megatunneln) wird sich in den nächsten Jahren als unfinanzierbar erweisen. Und Felderer wird als maßgeblicher Wegbereiter dieses vorhersehbaren Fiaskos in die Geschichte eingehen.
"Future Business Austria", der Veranstalter des Infrastruktur-Symposiums, hat dafür gesorgt, dass diese (Fehl-)Leistung nicht in Vergessenheit geraten wird: Sie hat Prof. Felderer in seiner Eigenschaft als Vorsitzender des Staatsschuldenausschusses und ehemaliger Direktor des Instituts für Höhere Studien mit dem Red Arrows 2012 ("für sein Lebenswerk") ausgezeichnet. In unfreiwilliger Komik passt zumindest die optische Gestaltung der Auszeichnung: ein Pfeil, tiefrot wie die Schuldenlast, der geradewegs in den Abgrund weist ...
Am Institut für Höhere Studien, dessen Leitung Felderer heuer zurückgelegt hat, scheint man dabei zu sein, den Boden der Realität wiederzufinden: Das Institut hat im Oktober 2012 eine Studie zum Thema " Gesamtwirtschaftliche Auswirkungen verschiedener Arten von Staatsausgaben" vorgelegt. Darin wird unter anderem gezeigt, dass die wirtschaftlichen Impulse durch den Bahnausbau gering sind. Die Wachstumswirkung von Staatsausgaben ist weit kleiner als in früheren Studien behauptet und eine Finanzierung über steuerliche Rückflüsse völlig aus der Luft gegriffen. Noch vor zwei Jahren hat das IHS in der Studie "Volkswirtschaftliche Bewertung des Rahmenplanes 2009-2014" einen Multiplikator der Bahninvestitionen von 2,10 ermittelt (also grob gesagt: Ein Euro Investitionsvolumen bringt 2,10 Euro Nutzen) - nach Felderers Abgang bleibt in der neuen Studie gerade noch ein Nutzen von 24 Cent pro einem Euro Investitionsvolumen übrig. (Franz Fally, DER STANDARD, 3.12.2012)