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Semyon Bychkov (in einer undatierten Aufnahme).

Foto: AP /Thomas Kost

Wien - Feste zu feiern ist so freudvoll wie anstrengend - und so wunderte es nur wenig, als man im Programmheft des samstägigen Konzerts die Mitteilung vorfand, Nikolaus Harnoncourt würde "aus gesundheitlichen Gründen" lediglich den zweiten Teil leiten. Die Großeinsätze des freundlichen Feuerkopfs bei den Feierlichkeiten zum 200-Jahr-Jubiläum der Gesellschaft der Musikfreunde hatten den 82-Jährigen wohl Kräfte gekostet.

Doch der Concentus Musicus - ist es betrüblich, ist es beruhigend? - musiziert auch ohne den Gründervater vorzüglich: Erich Höbarth lenkte vom Konzertmeisterpult aus das klingende Geschehen von Mozarts Posthorn-Serenade KV 320 (mit vorangestelltem Marsch KV 335/1). Das siebenteilige Werk ist wohl im Auftrag der Salzburger Universität zur musikalischen Ausschmückung von Examensfeierlichkeiten entstanden: Repräsentative Trompetenklänge finden sich darin ebenso wie scherznahe Unterhaltsamkeiten wie ein Solo eines Flautino, einer Diskantblockflöte.

Kriegerisches Menuetto

Zum (wolkenverhangenen) Panorama der Emotionen wurde nach der Pause Mozarts g-Moll Symphonie: voll unterdrückten Zornes die aufsteigenden Staccato-Viertel des Finalsatz-Hauptthemas, kriegerisch der Impetus des Menuetto. Ein leises, mattes Taumeln der Anfang des Andante; geduckt, fahl, flüsternd die Begleit- und auch die Bassstimmen zu Beginn des Stirnsatzes. Blitzschläge des Schicksals folgten.

Genauigkeit des Geistes und Freiheit des Gefühls: Durch das Miteinander von musikwissenschaftlicher Akribie und emotionaler Radikalität hat Nikolaus Harnoncourt Mozart vom glattpolierten Marmordenkmal wieder zum Menschen gemacht, der Leidenschaft wie Leiden kennt. Begeisterter Applaus.

Ein solcher ereilte auch die Wiener Philharmoniker und Dirigent Semyon Bychkov. Es hatte allerdings - und nicht ganz ohne Grund - etwas gedauert: Richard Wagners Tannhäuser-Ouvertüre changierte zwischen behäbiger Opulenz und (anfänglich) hängenden melodischen Schultern. Und auch im Verbund mit den Solistinnen Katia und Marielle Labeque ließ man bei Mozarts Konzert für zwei Klaviere Es-Dur KV 365 gerade einmal die Oberfläche lieblich strahlen. Die Damen gaben sich so nett wie unverbindlich und statteten das Werk mit wohlklingender Harmlosigkeit aus, um zumindest im Rondo etwas mehr Leben reinzubringen.

Bei Tschaikowskis fünfter Symphonie allerdings zog Bychkov das Tempo an, stellte an die Seite der Kantilenen scharfkantige Bläserakzente und erreichte so eine organisch anmutende Steigerung der Schönheit - bis zu jenen finalen Bereichen, da die Philharmoniker im Sangesfieber dem Ende entgegenrasten.

Wenn auch nicht jeder Dirigentenwunsch nach Intimität reflexartig erfüllt wurde, beeindruckte doch diese Art des glutvollen Musizieren ohne Überdosierung des Sentimentalen. (end, tos, DER STANDARD, 3.12.2012)