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Die regelmäßige Zahnsteinentfernung gehört zur Parodontitisprophylaxe dazu.

Foto: APA/Soeren Stache

Zuerst war da nur ein bisschen Zahnfleischbluten nach dem Zähneputzen. Ein paar Monate später schmerzten die Zahnhälse der vorderen Backenzähne, sobald etwas Heißes oder Kaltes diese berührten. Karies konnte es nicht sein, die Zähne sahen gepflegt aus, kein Loch weit und breit. Soweit die Selbstdiagnose. Bei Jasmin D. läuteten erst die Alarmglocken, nachdem die Symptome sich mehrten: Geschwollenes Zahnfleisch, lästiger Mundgeruch und schlussendlich schienen zwei der betroffenen Zähne sich zu lockern und ihre Stellung zu verändern.

Die Zahnärztin diagnostizierte Parodontitis bei der 55-jährigen Patientin. Diese Erkrankung des Zahnhalteapparats, auch Parodont genannt, wird durch aggressive Keime verursacht, wie sie tausendfach in der Mundhöhle eines jeden Menschen leben. Dass Bakterien Karies verursachen können, ist bekannt. Weniger verbreitet ist die Tatsache, dass auch die Parodontitis infektiöse Ursachen besitzt.

Entzündlicher Prozess

"Mehr als 60 Prozent der Über-50-Jährigen leiden an Parodontitis", so Axel Mory, zertifizierter Parodontologe und Implantologe in Wien. "Bei manchen ist eine genetische Veranlagung hauptverantwortlich, bei den meisten sind es aber die schlechte Putzgewohnheiten, die dazu führen. Mit einem altersbedingten Knochenabbau und Rückgang des Zahnfleisches hat die Parodontitis nichts zu tun. Trotzdem wird der Begriff immer noch als Synonym für die Parodontose verwendet. "Richtig ist, dass Parodontitis eine Entzündung ist. Deshalb ist die Endung -itis angebracht", erklärt Mory. 

Im Detail kommt es zu folgenden Veränderungen: Jeder Zahn ist von einem kleinen Spalt zwischen Zahn und Zahnfleisch umgeben. Bei der täglichen Mundhygiene oft vernachlässigt, bilden sich in diesem Bereich Plaqueablagerungen, ein klebriger Film als Bakterien, Essensresten und Speichel, der eine Zahnfleischentzündung verursachen kann. Unbehandelt, breiten sich die Bakterien entlang der Zahnwurzel aus und zerstören irgendwann Verankerungsfasern und Knochen. Es entstehen tiefe Zahnfleischtaschen. Die Zähne lockern sich, können ihre Stellung verändern oder fallen im schlimmsten Fall aus. 

Eine frühe Diagnose, die nur durch den regelmäßigen Besuch beim Zahnarzt gestellt werden kann, verhindert Zahnverlust und starke Schmerzen. Und schützt vor Herzinfarkt und Schlaganfall - schenkt man diversen Studien Glauben.

Kein kausaler Zusammenhang

Seit einigen Jahren wird in den Medien kolportiert, dass Parodontitis auch arteriosklerotische Gefäßerkrankungen auslösen kann, also Herzinfarkte und Schlaganfälle bei Patienten mit der entzündlichen Munderkrankung gehäuft auftreten. Dieser Zusammenhang konnte bislang nicht wissenschaftlich bewiesen werden, wie die American Heart Association (AHA) erst im April 2012 in einem Statement erläuterte. So würden die meisten Studien zu diesem Thema auf Beobachtungen beruhen, die andere Ursachen und Kausalitäten gar nicht in Betracht ziehen. 

Eventuell sind es die gemeinsamen Risikofaktoren, die einen Zusammenhang vermuten lassen. Sowohl die Entstehung von Parodontitis, als auch die Entwicklung von Herz-Kreislauferkrankungen werden durch Tabakkonsum oder Diabetes mellitus gefördert.

Chronische Erkrankung

"Das A und O bei Behandlung und Prophylaxe einer Parodontitis besteht darin, die Zahl der Keime im Mund gering zu halten", so Mory. Eine korrekte Zahnputztechnik ist also gefragt. Und die heißt: Technik nach Bass. Die Borsten der Zahnbürste setzen in einem 45 Grad-Winkel am Zahnfleischrand an und mit kehrenden Bewegungen werden die Zähne von rot nach weiß geputzt. Es wird also der Zahnfleischrand geputzt - und die Zähne gleich mit. Auch Zahnseide soll und darf zum Einsatz kommen, um die Zahnzwischenräume zu reinigen.

Wer die Parodontitis einmal hat, ist chronisch krank. Die Erkrankung ist unheilbar, aber nicht unaufhaltbar. Betroffene müssen allerdings regelmäßig etwas dagegen tun. "Eine Parodontitis lässt sich leicht behandeln. Es ist nie zu spät", spricht auch Mory beruhigende Worte. 

Welche Zähne betroffen sind, wird vom Zahnarzt mithilfe der Parodontalen Grunduntersuchung (PGU) herausgefunden. Mit einer so genannten Parodontalsonde wird Blutungsneigung von Zahnfleisch und Zahnfleischtaschentiefe gemessen. Je nachdem wie weit die Erkrankung fortgeschritten ist, werden therapeutische Konsequenzen gezogen.

Mitarbeit gefragt

"Wichtig ist eine Mundhygiene, die mindestens einmal, bestenfalls zwei Mal jährlich von einem professionellen Dentalhygieniker durchgeführt wird", sagt Mory. Dabei wird der Zahnhalteapparat beurteilt und Plaque und Zahnstein von den Zähnen entfernt. In manchen Fällen sind eine begleitende Antibiotika-Therapie und/oder ein chirurgischer Eingriff erforderlich. 

Der Profi verhindert auf diese Weise mitunter das Schlimmste, um ein Wiederaufflammen der Erkrankung zu verhindern, bleibt die Mitarbeit des Patienten aber lebenslänglich gefragt. (Karin Jirku, derStandard.at, 4.12.2012)