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Pierluigi Bersani, politisch sozialisiert als Kommunist, regierungserfahren, bodenständig.

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Bersani 2006 als Wirtschaftsminister der Regierung Prodi.

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Rom - Ein pragmatischer Postkommunist ist zum neuen Hoffnungsträger der italienischen Linken aufgerückt. Pierluigi Bersani, 61, der in den vergangenen Jahren mehrere Schlüsselpositionen in Linksregierungen besetzt hat und als Held der Liberalisierungsbewegung im Wirtschaftsbereich bekannt ist, geht für die Parlamentswahlen im kommenden Frühjahr als Premierkandidat des Mitte-links-Blocks in den Wahlkampf. Der Politiker mit der Halbglatze aus der "roten" Region Emilia Romagna punktet in Zeiten der Krise mit Zuverlässigkeit und Bodenständigkeit. Er setzte sich in einer Urwahl gegen den um Jahrzehnte jüngeren Florentiner Bürgermeister Matteo Renzi (37) durch.

Ausstrahlung und Extrovertiertheit sind nicht die Hauptmerkmale des umgänglichen, oft jovial anmutenden Berufspolitikers, der seit 2009 an der Spitze der Demokratischen Partei (PD), Italiens zweitstärkster Gruppierung, steht. Mit seinem schärfsten politischen Rivalen, dem schrillen Ex-Regierungschef Silvio Berlusconi, hat Bersani nur das Geburtsdatum - den 29. September - gemeinsam. Statt Verbalattacken und skurrilen Witzen bevorzugt der "bodenständige" studierte Philosoph Bersani Dialog und Humor.

Politiker aus dem Norden

Der 1951 in Bettola bei Piacenza geborene Sohn eines Mechanikers und Tankwarts trat schon in jungen Jahren in den aktiven Dienst der Kommunistischen Partei (PCI) ein, die in der Emilia-Romagna ihre Hochburg hatte. 1993 schaffte er den Sprung ins Amt des Präsidenten seiner Region Emilia Romagna. Seinen ersten Ministerposten erhielt er in der ersten Regierung Romano Prodis von 1996 bis 1999, wo er für Industrie und Handel zuständig war. Unter Regierungschef Massimo D'Alema diente er auch noch als Verkehrsminister.

Bersani machte sich als Wirtschaftsminister in der zweiten Regierung Prodi zwischen 2006 und 2008 einen Ruf als Liberalisierer zugunsten der Verbraucher. Dabei legte er sich mit Notaren ebenso an wie mit Taxifahrern und Telefongesellschaften. 2009 wurde er zum Vorsitzenden der Demokratischen Partei gewählt. Als PD-Chef führte Bersani eine scharfe Opposition gegen Ex-Premier Silvio Berlusconi. Seine innenparteilichen Gegner werfen ihm mangelnde Führungsqualitäten vor. Bersani sei zwar ein Mann des Dialogs, denn er setze auf die Sprache des einfachen Volkes. Er verstehe etwas von Wirtschaft und Sozialem, allerdings fehle es ihm an Temperament. Kritiker argwöhnen gar, dass Bersani in manchem an einen Apparatschik erinnere und zu stark in der Welt der linken Gewerkschaften verhaftet geblieben sei.

Schwaches Profil

Bersanis Partei, die in den vergangenen Jahren nicht sehr schlagkräftig aufgetreten ist, litt lange unter ihrem schwachen Profil. Die Mitte-links-Partei entstand 2007 aus dem Zusammenschluss eines breiten Spektrums von Parteien, deren bedeutendste die Margherita und die Linksdemokraten (DS) waren. Entsprechend verschwommen war bisher die Programmatik der Partei, in der es scharfe interne Richtungskämpfe gab. Die Partei strebt Reformen in Staat und Justiz an, will die Wirtschaft ankurbeln, und hat grüne Elemente. Ihr bekanntester Vertreter ist Italiens Staatspräsident Giorgio Napolitano. Mittlerweile liegt die Partei in Umfragen aber mit rund 30 Prozent vor allen anderen. Was allerdings vor allem daran liegt, dass Berlusconis Mitte-Rechts-Partei PdL derzeit massive Zerfallserscheinungen zeigt.

Italien in Rezession

Jetzt geht Bersani in einer dramatischen Phase für das von einer tiefen Rezession geplagte Italien in den Wahlkampf. "Wir müssen gewinnen, ohne den Italienern Märchen zu erzählen und falsche Versprechen zu machen. Wir wollen auf jede Form von Populismus verzichten", betonte Bersani nach seiner Kür zum Premierkandidaten. Er will Montis Sparkurs fortsetzen, will aber Erleichterungen für Ärmere und Arbeiter durchsetzen. Europas drittgrößte Volkswirtschaft ist tief verschuldet und wird bereits als Kandidat für den Euro-Rettungsschirm gehandelt.

Ob Bersani gegen seinen Erzrivalen Berlusconi ins Rennen gehen wird, ist noch unklar. Der Ex-Regierungschef hat in den letzten Tagen erneut mit Aussagen über seine politische Zukunft verwirrt, indem er erklärte, er denke gerade darüber nach, wieder in die Politik zurückzukehren. Der parteilosen Experte Mario Monti hat bereits erklärt, er werde bei der Wahl nicht antreten. Als Ministerpräsident würde er aber weitermachen, sollte es nach der Wahl keine klaren Mehrheiten geben. (APA, red, 3.12.2012)