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Manche Schweizer schauen mittlerweile bei Glencore ganz genau hin.

Foto: Reuters/Wiegmann

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CEO Ivan Glasenberg hätte es vermutlich lieber ein bisschen heimeliger.

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Es ist schon ein Weilchen her, dass Rüschlikon seinen heute wohl prominentesten Zuzug erhielt. Ivan Glasenberg hat sich schon im Jahre 1994 in der kleinen Gemeinde am Zürichsee niedergelassen. Schön in Ruhe und abseits des Rampenlichts: So wie es der Glencore-CEO gerne haben soll.

Was man über ihn weiß: Der Chef des größten Rohstoffhändlers der Welt ist gebürtiger Südafrikaner. Einst hat den ehemaligen Wirtschaftsprüfer sogar die olympischen Spiele gereizt: Schnell gehen war seine Disziplin. Der Mann, der rund zwei Drittel zum Steueraufkommen seines Wohnorts beiträgt, steht morgens oft um fünf Uhr auf, geht joggen oder schwimmen und dann zur Arbeit, von der er spät heimkehrt, weiß der "Spiegel". Und sonst? Viel wüssten die Schweizer über ihn nicht, klagt das Schweizer Magazin "Bilanz", als es Glasenberg einen Besuch abrang. Und tatsächlich ändert auch dieser nicht viel.

Sein Privatleben sei ohnedies nicht interessant, wird der Glencore-Chef in jenen raren Momenten, in denen er doch an die Öffentlichkeit tritt, nicht müde zu behaupten. Dass das so bleibt, lässt er sich - so heißt es - auch einiges kosten: Den Geldbeutel zücke der Südafrikaner schnell, wenn es gelte, Fotos von ihm aus Internet und Presse verschwinden zu lassen. Dann klopfe er beim Fotografen an und kaufe ihm die Bildrechte ab.

Das Dorf der Superreichen

Sicher ist: Glencore hat einige seiner Manager reich gemacht. Darunter eben auch Ivan Glasenberg: Als das Unternehmen 2011 an die Börse ging, strich Glasenberg laut Medienberichten rund fünf Milliarden Schweizer Franken ein. Auch dem kleinen Städtchen Rüschlikon hat der Börsengang einen wahren Geldsegen gebracht. "Rüschlikon, das Dorf der Superreichen" titelte die Financial Times Deutschland damals. Denn Glasenberg ist nicht der einzige Reiche unter den 5.200 Einwohnern des Ortes. In der Postkartenidylle wohnen laut "Spiegel" etliche Manager, Banker und sogar ein griechischer Reeder. Für die Gemeinde sprudelten die Einnahmen ganz besonders. 50 bis 60 Millionen Franken mehr als sonst flossen 2011 in die Gemeindekasse. So üppig fiel der Geldregen aus, dass die schon vorher nicht arme Gemeinde ihre Bürger an dem Geldsegen beteiligen wollte.

Per Einwohnerabstimmung ließ man über eine Reduzierung der Abgaben abstimmen. Ergebnis: die Steuern sollten für alle um sieben Prozent gesenkt werden. Damit hatte der Ort die niedrigste Steuerquote im ganzen Kanton Zürich. Die Wohlhabenden freut‘s: Sie dürften sich nun noch lieber an den Ufern des Zürichsees niederlassen. Doch weil allen Recht getan, eine Kunst ist, die bekanntlich keiner kann, erfolgte die Erleichterung der Bürger und Bürgerinnen von der Steuerlast nicht ohne Diskussion. Denn nicht alle Bürger sind mit der Steuersenkung glücklich: "Während wir uns überlegen, wohin mit dem Geld, verrecken dafür anderswo die Leute", sagt Dorfpfarrer Josip Knežević unverblümt dem "Spiegel". Knežević unterschrieb die Initiative "Solidarität Rüschlikon", die die massiven Steuersenkungen im Ort verhindern wollte und stattdessen eine Art Solidaritätsbeitrag für Entwicklungshilfe forderte. Für Knežević sind Glencores Geschäfte "amoralisch", die Profite daraus könne man nicht so einfach akzeptieren.

Eine zahlungskräftige Branche

Der Disput gefiel dem öffentlichkeitsscheuen Ivan Glasenberg vermutlich nicht ganz so gut. Denn es ging auch um sein Geschäft und wieder einmal um die Schweiz. Ausgerechnet das rohstoffarme Land ist in den vergangenen Jahren zu einem wichtigen Zentrum der globalen Rohstoffindustrie mutiert. Hier finden die Konzerne optimale Steuerkonditionen, wohlwollende Behörden und ein Heer von Anwälten und Bankern, die auf die Bedürfnisse der zahlungskräftigen Branche spezialisiert sind.

15 bis 25 Prozent des globalen Handels mit Erz, Kupfer, Öl oder Agrarprodukten bestreiten Unternehmen wie Glencore laut "Spiegel" mittlerweile von der Schweiz aus. Die Nettoeinnahmen der Industrie haben sich zwischen 1998 und 2010 verfünfzehnfacht. Befürworter sehen in der neuen Boombranche eine Art Ausgleich für das einst so florierende Bankengeschäft, Kritiker fürchten um den ohnehin angeschlagenen Ruf der Eidgenossen. "Über Jahrzehnte hatten wir das Image als weltweiter Zufluchtsort für Kleptokraten und Steuerhinterzieher. Jetzt räumen wir damit gerade auf - und folgen schon dem nächsten zweifelhaften Geschäftsmodell", sagt der Strafrechtsprofessor Marc Pieth, der bei der OECD die Arbeitsgruppe für Bestechungsfragen leitet.

Schmutzige Geschäfte

Glencore hat sich in den vergangenen Jahren unter Glasenbergs Ägide immer breiter aufgestellt, zuletzt wurde der Appetit auf den Schweizer Minenkonzern Xstrata gestillt. Glencore fördert mittlerweile auch selbst Kohle, Nickel und Kupfer. Das Schweizer Unternehmen baut Mais, Zucker und Baumwolle an. Ihm gehören 49 Prozent des russischen Ölförderers Russneft. Eine eigene Hochseeflotte transportiert die Waren rund um den Globus. Ein Geschäft, das ohne Schmutz wie Kinderarbeit, Korruption, Ausbeutung der Umwelt und schlechten Arbeitsbedingungen nicht zu haben ist, wie Kritiker wiederholt monieren. Vorwürfe, die das Unternehmen vehement bestreitet. Erst im Frühjahr sorgten zwei Schweizer Hilfswerke mit einer Studie, wonach der Konzern in Afrika Kupfer verarbeite, das von Kindern gefördert werde, für heftiges Rauschen im Blätterwald. Glencore wies auch diese Vorwürfe zurück. Im gleichen Jahr verurteilte ein belgisches Gericht die Glencore-Tochter Glencore Grain Rotterdam zu einer Geldstrafe von 500.000 Euro. Das Unternehmen soll einem EU-Mitarbeiter seinen Urlaub und seine Handyrechnungen bezahlt haben, um an vertrauliche Informationen über Getreidesubventionen zu kommen.

Wohin mit dem Geld

So wäre es für das Rüschliker Bürgerkomitee "Solidarität Rüschlikon" nur folgerichtig gewesen, die Steuern um "nur" fünf Prozent zu senken. Die zwei "übrigen" Prozentpunkte hätten die Wohlmeinenden gerne für wohltätige Zwecke gespendet. Die Bürger wollen es aber anders und stimmten mit wenigen Gegnstimmen gegen diesen Vorschlag. Eine Sprecherin des Komitees sagte in einer Zeitung: "Mit einem Ja hätten wir gezeigt, dass es uns nicht egal ist, woher das viele Geld kommt." Etwas anders formuliert das Gemeindepräsident Bernhard Elsener gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters: "Die Diskussion zeigt, dass die Bürger von Rüschlikon lieber im privaten Solidarität üben als über die Gemeinde." Was Ivan Glasenberg von der Idee gehalten hat, ist nicht überliefert. Er soll aber mittlerweile häufiger in der Öffentlichkeit auftreten, um das Ansehen seiner Branche zu polieren. (rb, derStandard.at, 3.12.2012)