Ums Skifahren geht es bei den jährlichen Openings nur einer relativ kleinen Anzahl der Gäste.

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Internationale Top-Acts wie Swedish House Mafia garantieren da schon viel größeren Massenzulauf.

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Aber auch heimische Bands wie die Grabenland Buam sorgen für das Wichtigste bei derartigen Events: Partystimmung.

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Ich bin in Wien geblieben. Aus anderen Gründen. Aber die Rahmenbedingungen machten es mir nicht noch schwerer, auf Schladming zu verzichten: Der Scan der Schnee-Nachrichten ließ wenig Zweifel daran, dass es beim Ski-Opening ebendort - so wie in den meisten Ski-Destinationen - eher um die Party, als ums Skifahren gehen würde. Ich bin Skifahrer: Ich hätte die Party als Ausrede genutzt, den Schnee zu begrüßen. Möglichst weit weg von der Piste.

Damit bin ich ein braver "follower of fashion". Denn Skifahren geht heutzutage  in zwei Richtungen: Zum "Après" oder ins komplett schirmbarfreie Terrain. Seit gut fünf Jahren entdecken alle Medien zu Winterbeginn den Trend ins freie Gelände. Henne oder Ei: Mittlerweile will eh fast jeder ins Backcountry.

Ballermann im Schnee

Freilich: Hütten-Tschimbumm, Pisten-Ballermann und systematischer Alkoholmissbrauch machen den Abschied vom "kontrollierten Skirau" nicht schwer. Obwohl nicht zuletzt die Rücksicht auf Anzeigenkunden und die Angst davor, als "vorgestriger" Spaßbremser zu gelten, viele schreibende und filmende Kollegen manche Zusammenhänge weiterhin nur am Rande oder gar nicht erwähnen lässt: So wird die Verbindung zwischen Überforderung, Alkohol und niedergefahrenen Pisten-Unfallopfern kleingeredet. Und die Frage, ob Gemeinden und Regionen heute eventuell mehr am Suff als an Liftkarten, Gastro und Hotellerie verdienen, gehört sich nicht.

Egal, darum soll es auch hier nicht gehen. Denn zum Skifahren gehört schon auch der Spaß danach. Partys sind heute eben so, wie Partys sind - vor allem bei Ski-Openings.

Size matters

Also gilt, was im Eventbusiness immer gilt: Size matters. Und: Nur wer früh dran ist, fällt überhaupt auf. Also Metastsasisieren die Saisonstartevents und sind auf dem gleichen Trip wie Nikolo, Weihnachtsschmuck und Osterhase. Da beginnt das Getöse ja auch früher und früher - obwohl die Daten fix sind. Der Haken beim Wintersport: Im August loslegen geht halt (noch) nicht.

Deshalb buchen Touristiker und Eventer ihre Chart-Acts für den theoretisch frühestmöglichen Termin - und beten zumincest nach außen hin um einen frühen Wintereinbruch. Oder um kunstschneetaugliche Temperaturen. Obwohl jeder weiß: Schnee wird überbewertet. Es geht auch ohne. Schneelose Schnee-Events kann man sich leisten - eine Absage nicht.

Rattenschwanz durch Top-Acts

Früher war das anders. Da war die Party die Sideshow. Ohne Schnee ka Musi: DJ Hansi konnte man mit zwei Bier, einem Abendessen und zwei Mädels zurück ins Hotel schicken - und es nächste Woche noch einmal versuchen. Bei internationalen Topacts wie etwa der "Swedish House Mafia", geht das nicht.

Das war in Schladming - wohin Maturareisegroßveranstalter Didi Tunkel am vergangenen Wochenende zum "Snow Break" geladen hatte - heuer auch so: 14.000 Partyheads reisten an. Tunkel, der mit seinem "Summersplash" jährlich tausende Neo-Maturanten bespaßt, hatte Hotels und Herbergen vor- und ausgebucht: Eine solide Buchungsbasis für die lokalen Betriebe - unabhängig vom Schnee.

Parallel hatte Tunkels PR-Apparat im Vorfeld dafür gesorgt, dass all die unverzichtbaren Superlative tatsächlich überall vorkamen- und in der Realität auch hielten: Fünfstellige Besucherzahlen, eingeladene/angekarrte Promis und Medien, Sponsoren- und VIP-Klimbim. Der Winter? Stand auf der Gästeliste. Zusage? Jein.

Masse macht Party

Tatsächlich war das aber eh wurscht: Sobald die kritische Masse erreicht ist, macht eine gut party-sozialisierte Masse genau die Party, die sie von sich und den Veranstaltern erwartet. Da lässt sich Elias Cannettis Buchtitel von "Masse und Macht" eindampfen auf "Masse macht": Und zwar a) es sich drinnen lustig. Und b) von draußen mitunter Angst.

Und der Schnee? Im Package inkludiert waren After- und After-After-Partys. Wer kein totaler Loser ist, kommt da erst zu einem Zeitpunkt und in einem Zustand heim, der es schwer macht, am nächsten Tag tatsächlich für mehr als das Hangschrägrutschen zur nächsten Hüttengaudi auf die Piste zu gehen.

Braves Abfragen

Klar: Der zu dieser Zeit österreichweit nicht gerade üppig vorhandene Schnee war natürlich Thema. APA & Co fragten die nicht-hochalpinen Skiregionen in ganz Österreich ab, was aus den Openings würde. Ein Pflichtstück in angewandt-bravem Journalismus: Den Tourismusmanager, der laut sagt, dass Schnee vom "Must" zum "Nice to have" geworden ist, gibt es nicht. Manche Dinge sagt man eben nicht. Und da man ein paar Lifte immer irgendwie zum Laufen bringt und es sich für eine Handvoll Fotos auch immer ausgeht, ist das ja gar nicht nötig.

Obwohl die Wahrheit niemanden stören würde: Ich kenne etliche Menschen, die gerne mehrtägige Skiopening-Events besuchen und nicht im Traum daran dächten, Ski oder Board mitzunehmen. Ganz ehrlich: Solche Leute sind mir lieber, als jene, die sich bis in den Morgen die Kante geben - und dann am nächsten Tag auf der Piste als "unguided missiles" unterwegs sind. (Thomas Rottenberg, derStandard.at, 5.12.2012)