Die Arbeitslosigkeit in Österreich steigt weiter rasant an. Vor allem aus Linz und Steyr, also den Industrieregionen in Oberösterreich, kommen dramatische Zahlen. Zu den Verlierern der neuen Entwicklung zählen auch die Langzeitarbeitslosen.

Wien - Wenn die Konjunktur einbricht, ist Birgit Gerstorfer eine der Ersten, die das aus ihren Statistiken ablesen können. Gerstorfer leitet das Arbeitsmarktservice in Oberösterreich und überblickt damit die Entwicklung in Industrieregionen wie Steyr und Linz, wo die exportorientierten Betriebe traditionsgemäß am schnellsten und am stärksten reagieren, wenn das Wirtschaftswachstum nachlässt.

In den vergangenen Wochen kamen aus den 15 oberösterreichischen AMS-Außenstellen fast nur schlechte Nachrichten in die Linzer Zentrale, erzählt Gerstorfer. "Es ist wie im Krisenjahr 2008: Die Auftragslage ist nicht mehr gut, die Industriebetriebe bauen Mitarbeiter ab. Es gibt nicht den einen großen Fall. Aber viele bauen Beschäftigte ab."

Dementsprechend dramatisch sehen die oberösterreichischen Zahlen aus. Im Vergleich zum Vorjahr lag die Arbeitslosigkeit im November um 11,2 Prozent höher, in keinem anderen Bundesland fiel der Anstieg so kräftig aus, teilte das AMS am Montag mit. Am stärksten war der Zuwachs in Linz: Die Zahl der Jobsuchenden stieg hier um 21 Prozent an, was 1007 Personen entspricht. In Steyr erhöhte sich die Zahl der Arbeitslosen um 19 Prozent. Österreichweit waren im November 270.436 Personen arbeitslos gemeldet (plus 6,7 Prozent), hinzu kommen die Schulungsteilnehmer.

Kernbeschäftigte betroffen

Die Probleme in der Industrie sind eine Folge der globalen Wirtschaftsflaute und machen sich in Österreich seit dem Frühjahr bemerkbar, als zunächst vor allem Leiharbeiter ihre Stellen verloren. Dieser Trend hat sich laut Sozialministerium verschärft und nun auch Kernbeschäftigte in der Industrie erfasst. Erstmals, seitdem die Arbeitslosigkeit im August 2011 wieder zu steigen begonnen hatte, fiel der Anstieg der Arbeitslosigkeit in der Industrie mit 7,3 Prozent überdurchschnittlich aus.

Nicht nur in Oberösterreich, auch in der Steiermark waren Industrieregionen von dieser Entwicklung betroffen. Dazu passt, dass am Montag der Hartmetallerzeuger Böhlerit in Kapfenberg verkündete, 431 Beschäftigte und damit einen Großteil der Mitarbeiter bis Ende Mai in die Kurzarbeit schicken zu wollen.

Problem Langzeitarbeitslose

Neben der Industrie fiel der Anstieg der Arbeitslosigkeit bei Personen über 50 Jahren und Migranten überproportional stark aus. Größter statistischer Ausreißer war allerdings der Umstand, dass die Zahl der Langzeitarbeitslosen um 30,3 Prozent auf 5817 Personen stieg. Laut Arbeitsmarktservice war für diese Entwicklung allerdings nicht die Konjunktur, sondern eine Strategieänderung des AMS verantwortlich.

Als langzeitarbeitslos gilt, wer seit über zwölf Monaten keinen Job findet und in diesem Zeitraum auch an keiner längeren Schulung teilnimmt. Das AMS hat mit seinem Kursprogramm lange auf die Gruppe der Langzeitarbeitslosen abgezielt. Seit Anfang 2012 versucht das Arbeitsmarktservice aber verstärkt Bezieher der 2011 eingeführten Mindestsicherung (der früheren Sozialhilfe) in den Arbeitsmarkt zu integrieren. Wer Mindestsicherung bezieht, aber arbeitsfähig ist, muss zur Aufnahme von Arbeit bereit sein und wird vom Arbeitsmarktservice betreut.

"Die Zahl der AMS-Kunden ist damit stark angestiegen, die Budgets haben mit dieser Entwicklung nicht mitgehalten", sagt ein AMS-Landeschef. Mit dem Kursangebot wurden daher weniger Langzeitarbeitslose erfasst, darum der Anstieg. Dass das Arbeitsmarktservice auf eine der sozial schwächsten Gruppen vergisst, weist AMS-Vorstand Johannes Kopf zurück. " Trotz des Anstiegs beträgt die Quote der Langzeitarbeitslosen nur 2,2 Prozent. Wir haben das Problem im Griff." (András Szigetvari, DER STANDARD, 4.12.2012)