Berlin - Das umstrittene Bahnprojekt Stuttgart 21 soll rund eine Milliarde Euro mehr kosten als bisher geplant. In Kreisen des Aufsichtsrats der Bahn wurde am Montag ein "Welt"-Bericht bestätigt, wonach die Kosten damit auf rund 5,5 Mrd. Euro steigen werden. Der Aufsichtsrat wird sich mit den Kosten am 12. Dezember befassen.

Der Bund und das Land Baden-Württemberg wollen sich an den Kostensteigerungen nicht beteiligen. Der bisherige Kostenrahmen für den Umbau des Stuttgarter Hauptbahnhofs in einen Tiefbahnhof mitsamt der Anbindung an die Schnellbahnstrecke nach Ulm beläuft sich auf 4,5 Mrd. Euro.

Unter anderem sollen zu optimistische Annahmen seitens der Projektplanung zu der Kostenexplosion geführt haben. Wie es hieß, wurden die Bahn-Aufsichtsräte bisher nicht über Details informiert. Die Tischvorlage dazu sollen sie erst in der Sitzung des Kontrollgremiums erhalten. Der Bund wird trotz der möglichen Mehrkosten keine neuen Hilfen bereitstellen. Es bleibe beim vereinbarten Festbetrag von 563,8 Mio. Euro, ließ Deutschlands Verkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) in Berlin wissen. Darüber hinaus fließen vom Bund noch weitere Mittel, etwa aus den GVFG-Mitteln (Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz) in das Vorhaben, so das der Gesamtbeitrag des Bundes bei gut 1,2 Mrd. Euro liegt.

Ein Sprecher des baden-württembergischen Verkehrsministeriums hatte am Wochenende gesagt, das Land werde sich nicht an Kostensteigerungen beteiligen. Die Bahn müsse daher das volle Kostenrisiko tragen.

Kritiker sehen sich bestätigt

Die Kritiker des Bahnprojektes, darunter der ökologische Verkehrsclub Deutschland (VCD), sehen sich durch die neuen Informationen bestätigt. Sie fordern, das Vorhaben müsse nun eingestellt werden.

Die Bahn wollte zur Höhe möglicher Mehrkosten am Montag keine Stellung nehmen. Bahn-Technikvorstand Volker Kefer hatte sich vor wenigen Tagen in der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" zu Stuttgart 21 geäußert: "Hier haben wir in den vergangenen eineinhalb Jahren in Sachen Kosten und Termine sehr viel aufgearbeitet. Darüber werden wir Mitte Dezember den Aufsichtsrat der Deutschen Bahn informieren", sagte er. Der S-21-Sprecher Wolfgang Dietrich betonte, es handele sich lediglich um Prognosen für einen Zeitraum von zehn Jahren, die Mitte Dezember präsentiert würden. Es bestehe immer noch die Chance, möglichen Mehrkosten gegenzusteuern.

Nachforderungen

Die "Welt" zitiert eine "gut informierte Person" mit der Aussage, wonach vor allem "zu optimistische Annahmen seitens der Projektplanung und fehlende Puffer" zu der Kostenexplosion führen würden. Außerdem gebe es Nachforderungen der Landesregierung und unerwartete Probleme bei den Arbeiten.

Der VCD erinnerte an Berechnungen der Bahn aus dem Jahr 2009, wonach die Gesamtkosten für Stuttgart 21 sich auf 4,9 Mrd. Euro beliefen. Damals rechnete man aber mit Einsparmöglichkeiten in Höhe von 800 Mio. Euro, um die Summe auf 4,1 Mrd. Euro drücken zu können. Derzeit liegen die Kosten nach offizieller Lesart der Bahn bei 4,3 Mrd. Euro - ein Wert, der von Baden-Württembergs Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) bezweifelt wird. (APA, 3.12.2012)