Washington - Die Frage, ob jemand vertrauenswürdig aussieht oder nicht, scheint für ältere Menschen schwerer zu beantworten als für junge. Nicht nur Geschichten von Erbschleichern, Sparbuchbetrügern und Omas, die Fremden hohe Geldsummen leihen, zeugen davon, sondern nun auch eine Studie von Forschern der University of California in Los Angeles.

Shelley Taylor und Kollegen legten in ihrer Untersuchung jüngeren und älteren Personen Fotos von Menschen vor, die Hinweise auf ihre Vertrauenswürdigkeit offenbarten. Sie ließen die Probanden entscheiden, ob sie die abgebildeten Menschen als vertrauenswürdig, neutral oder wenig vertrauenswürdig einschätzten. Dabei stellte sich heraus, dass sowohl jüngere als auch ältere Menschen Fotos der Kategorien "vertrauenswürdig" und "neutral" gleich gut einschätzten, ältere aber deutlich weniger versiert waren, Hinweise in nicht vertrauenswürdigen Gesichtern richtig zu deuten, schreiben die Forscher im Fachblatt "PNAS".

In einem nächsten Schritt beobachteten die Forscher die Gehirnaktivität der Studienteilnehmer, während sie die Fotos betrachteten. Ältere Menschen zeigten dabei weniger Aktivität in einem bestimmten Teil der Inselrinde, der sogenannten anterioren Insula. Die Gehirnregion ist dafür bekannt, dass sie bei Ekelreaktionen und Risikoeinschätzung eine Rolle spielt. Sie nimmt innere Gefühle wahr und ist vermutlich an der Entstehung eines Bauchgefühls beteiligt. "Bei den älteren Menschen ist das Frühwarnsignal der anterioren Insula schwächer; ihre Gehirne melden nicht im gleichen Maße wie bei jüngeren: sei vorsichtig", erläutert Taylor.

Die Vertrauensseligkeit der Senioren hat Folgen: US-Bürgern über 60 Jahren ist einer Studie zufolge 2010 durch Betrügereien ein finanzieller Schaden in Höhe von 2,9 Mrd. US-Dollar entstanden. Andererseits trage die Vertrauensseligkeit älterer Menschen vermutlich zum Wohlbefinden bei, erklären die Forscher. Senioren seien vielen Studien zufolge glücklicher, empfänden negative Gefühle weniger stark oder behielten positive Informationen besser als schlechte. (dpa, pum, DER STANDARD, 4.12.2012)