Schon im März 2007 haben die EU-Mitgliedsstaaten vereinbart, den Primärenergieverbrauch bis zum Jahr 2020 um 20 Prozent durch die Steigerung der Energieeffizienz zu senken. Um dieses noch ferne Ziel doch noch zu erreichen, wurde im Oktober die neue EU-Energieeffizienz-Richtlinie (2012/27/EU - EnEff-RL) beschlossen, die am Dienstag in Kraft getreten ist. Sie muss bis 5. Juni 2014 in nationales Recht umgesetzt werden.
Ähnlich den Vorgaben in der Erneuerbaren-Energien-Richtlinie (2009/28/EU), in der sich jeder Mitgliedsstaat zu einem bestimmten Anteil erneuerbarer Energien am nationalen Endenergieverbrauch im Jahr 2020 verpflichtet hat (im Falle Österreichs: 34 Prozent), ist jedes Mitglied gemäß EnEff-RL verpflichtet, ein entsprechendes indikatives, nationales Ziel zur Steigerung der Energieeffizienz zu setzen. Dazu kommt die Verpflichtung, ab 2014 drei Prozent der Gesamtnutzfläche beheizter und/ oder gekühlter Gebäude der Zentralregierung (in Österreich: des Bundes) zu sanieren, woraus sich auch Impulse für die Bauwirtschaft ergeben könnten.
Für die Privatwirtschaft und Konsumenten ist insbesondere die Verpflichtung der Mitgliedsstaaten wichtig, von 2014 bis 2020 jährlich 1,5 Prozent des durchschnittlichen jährlichen Endenergieabsatzes der Jahre 2010 bis 2012 einzusparen. Die EnEff-RL lässt den Staaten die Wahl, ob Sie Energieversorgungsunternehmen (EVUs) verpflichten, dieses Sparziel zu erreichen, oder die Zentralregierung strategische Maßnahmen wie Förderprogramme oder Energiesteuern nutzt, die in ihrer Wirkung zur gleichen Einsparung führen müssen.
Der derzeit in Österreich diskutierte Entwurf eines Energieeffizienzgesetzes lässt den Schluss nahe, dass die Regierung die von der EU vorgegebene Effizienzsteigerung in der Verantwortung der EVUs sieht. Offen ist, ob die Regierung hier lediglich die Verpflichtung an die EVUs weitergeben möchte, die geforderte Effizienzsteigerung im eigenen Versorgungsgebiet zu erreichen - z. B. durch Anreize an Kunden, energiesparende Geräte zu verwenden -, oder ob sie auch marktbasierende Anreize schafft, in Energieeffizienz zu investieren.
Vorbild Emissionshandel
Einige europäische Staaten wie Dänemark, Frankreich, Großbritannien, die Niederlande und Italien haben bereits ein System sogenannter Weißer Zertifikate eingeführt bzw. planen dies zu tun. Wie beim CO2-Emissionshandel bietet es die Möglichkeit, Einsparungen und Verpflichtungen zu handeln.
Marktteilnehmer, vor allem EVUs, können Energieeinsparverpflichtungen entweder im eigenen Versorgungsgebiet selbst umsetzen, indem sie etwa Anreize für die Kunden schaffen, oder aber Weiße Zertifikate zukaufen, die dieser Einsparung entsprechen. Erreicht der Marktteilnehmer das vorgegebene Einsparungsziel nicht (und kauft keine Weißen Zertifikate zu), dann drohen Strafen.
Andererseits gibt es sogenannte "Energy Service Companies" (Escos), die Maßnahmen zur Energieeinsparung und Steigerung der Energieeffizienz setzen und dafür Weiße Zertifikate zugeteilt erhalten. Diese können sie am Markt anbieten und zum jeweiligen Marktpreis verkaufen.
Befürworter der Weißen Zertifikate argumentieren, dass durch das System die Spezialisierung in den Escos gefördert wird und Effizienz- und Einsparungspotenziale gehoben werden, die ohne diese Spezialisierung nur mit hohen staatlichen Förderungen erzielbar wären. Zudem führe die Spezialisierung zu einer Kostenoptimierung, die dafür sorgt, dass die Investitionskosten geringer ausfallen und somit den Endverbraucher - als Teil des Strom- oder Gaspreises - weniger stark treffen.
Kritiker wiederum warnen, dass durch den Einsatz von Marktkräften nur kurzfristig wirksame und messbare Maßnahmen gefördert werden und anstelle von Energiesparmaßnahmen nur Effizienzsteigerungen stimuliert würden.
Ob die Weißen Zertifikate ein passendes System für Österreich sind, um die Vorgaben der EnEff-RL zu erreichen, bleibt dahingestellt. Dass in Zeiten knapper Budgets eher Mechanismen infrage kommen, die nicht unmittelbar von öffentlichen Mitteln abhängig sind, liegt auf der Hand. Weiße Zertifikate wären zumindest aus dieser Sicht attraktiv. (Markus Piuk, DER STANDARD; 5.12.2012)