"Retaped Rape" von Fiona Rukschcio ist ein Cover von Yoko Onos und John Lennons Konzeptfilm "Rape" - mit einem entscheidenden Unterschied.

Foto: Fiona Rukschcio

Die in Wien lebende Künstlerin Fiona Rukschcio thematisiert in ihren Filmen, Collagen und Projekten weibliche Rollenzuweisungen, Identitätsentwürfe und emotionale Grenzerfahrungen. "Retaped Rape" ist der Titel ihrer jüngsten Videoarbeit, die ab Freitag in der Wiener Secession ausgestellt wird. Ausgangspunkt für "Retaped Rape" war der Konzeptfilm "Rape" von Yoko Ono und John Lennon aus dem Jahr 1969: Darin wird eine junge Frau von einem Kameramann durch London verfolgt, bis in ihre Wohnung.

Die 75-minütige Filmvorlage basiert auf einem Skript von Yoko Ono und wurde von Nic Knowland in Szene gesetzt. Der ORF finanzierte damals das Filmprojekt mit. "Der Kameramann verfolgt mit seiner Kamera beharrlich ein Mädchen auf einer Straße", schrieb Ono, "bis er sie in einer Gasse in die Enge treibt und, falls möglich, bis sie in einer fallenden Position ist." Die von der Kamera verfolgte Frau zeigt sich anfangs noch geschmeichelt, wirkt jedoch zunehmend ängstlich und verstört. Obwohl sich die Frau und der Kameramann nie berühren, ist der Film von einer sexualisierten und gewalttätigen Atmosphäre beherrscht.

Verschobene Perspektiven

Fiona Rukschcio hat den Film mit den gleichen Kameraeinstellungen an den Originalschauplätzen nachgedreht - jedoch ohne Protagonistin. Dem voyeuristischen männlichen Blick, wie er von feministischen Filmwissenschaftlerinnen wie Laury Mulvey bereits in den 1970er Jahren thematisiert wurde, kommt das Objekt abhanden, die Kamera folgt nunmehr einer unsichtbaren Spur. Derart offenbart Rukschcio den Zusammenhang zwischen Kamerasprache, Blickregime und Gewalt und macht die fehlende Perspektive des Opfers als "Leerstelle" sichtbar. 

Zugleich ist die Kamera auf sich selbst zurückgeworfen, die Aufmerksamkeit unmittelbar auf deren Darstellungsmittel und Funktionsweisen gelenkt. Elisabeth Büttner beschreibt diesen Zusammenhang in ihrem Katalogessay zum Film: "Das Ereignis hat sich verlagert, es ist nicht sichtbar, es muss hergestellt werden. (...) Das primäre Tauschverhältnis besteht nicht mehr zwischen einem begehrten und verfolgten Objekt und der Kamera, sondern zwischen Kamera und Kamerafrau sowie Kamera und ZuschauerInnen." Rukschcio selbst sagt zu ihrer Filmarbeit: "'Retaped Rape' ist gleichermaßen Hommage wie auch eine Analyse und Weiterführung des Originals."

Jenseits der Opferrhetorik

Schon in der Vergangenheit hat sich die 1972 geborene bildende Künstlerin in ihren Arbeiten wiederholt mit Gewalt gegen Frauen auseinandergesetzt und selbstermächtigende Strategien thematisiert, wie etwa in ihrer frühen, mit einem Diagonale-Filmpreis bedachten Videoarbeit "common.places" von 1999, in der 27 Frauen über den ganz "normalen" Belästigungsalltag und die Möglichkeiten der Selbstverteidigung erzählen.

Der ebenfalls in London gedrehte utopische Film "Bill Posters will be prosecuted" (1999/2002) handelt von einer anonymen Frauengruppe, die den Auftrag erhält, einen vom Gericht freigesprochenen Vergewaltiger (Bill Posters) zu beobachten und nötigenfalls zu rächen. Ebenfalls um Orte und die Art, wie mit Erinnerung von marginalisierter Geschichte umgegangen werden kann, geht es in ihrem Video "I would be delighted to talk Suffrage" (2003/05): Mit den Suffragetten begann vor über hundert Jahren der radikale Kampf der Frauen in USA, Großbritannien und Frankreich für ein allgemeines Frauenwahlrecht - der Videofilm fungiert als Stadtführung, Oral-History-Dokument und collagierter Kostümfilm zugleich.

Damals und heute

Für "Retaped Rape" hat sich die bildende Künstlerin intensiv mit dem Ort des Geschehens auseinandergesetzt. Nach umfassender Recherche vor Ort ging Rukschio den Weg der im Originalfilm dargestellten Verfolgung sequenzweise ab. Zu ihren Dreharbeiten in London meint Rukschcio: "Mittlerweile sind die Straßen belebter als damals. Eine Kamera wird hingegen nicht mehr als Autorität gesehen, die es zu akzeptieren gilt. Leute versuchten, Kontakt mit mir bzw. der Kamera aufzunehmen."

Mit dem Unterschied zwischen damals und heute stellt "Retaped Rape" auch das Speichern von Erinnerung von zeitgenössischer Geschichte zur Diskussion. Fiona Rukschcio: "Ich frage mich immer wieder, inwiefern Geschichte Orten eingeschrieben ist? Zunächst einmal, welche Ereignisse und wessen Geschichte? Dann aber auch, wie in der Folge eine adäquate, andere nämlich alternative Art von Erinnerungskultur aussehen kann." (red, dieStandard.at, 4.12.2012)