Wien - Mit großen Aufwand ist die Causa Hypo Niederösterreich und Wohnbaudarlehen am Dienstag Schlag neun Uhr Früh in die nächste Runde gegangen. Bei leichtem Schneeregen starteten mehr als hundert Ermittler des Bundeskriminalamts und etliche Staatsanwälte Hausdurchsuchungen an 27 Orten in fünf Bundesländern. Die Causa wird neuerdings von Korruptionsstaatsanwalt Simon Himberger betreut. Er ist bereits der vierte Staatsanwalt in der politisch heiklen Causa aus dem Land unter Erwin Pröll; zuvor war sie jahrelang in der Staatsanwaltschaft St. Pölten gelegen.
Allein in der Wiener Hypo-NÖ-Zentrale in der Wipplingerstraße marschierten acht Ermittler auf, in den dazu gehörigen Büros auf der anderen Straßenseite waren es vier Leute. Die Hypo schrieb am Nachmittag in einer Aussendung von einer "behördlichen Untersuchung" in Wien und St. Pölten, die Bank habe die Unterlagen "selbstverständlich gerne unaufgefordert zur Verfügung gestellt". Man hätte das "auch ohne Durchsuchung jederzeit" getan.
Erst vor wenigen Wochen hat die Justiz, wie berichtet, neuen Schwung in die Sache gebracht. Da hat sie ihre Untersuchungen auf 2007 und 2010 tätige Hypo-Aufsichtsräte ausgedehnt und somit auch auf aktive Politiker: Die Immunität von ÖVP-Klubobmann Klaus Schneeberger und Landtagsabgeordnetem Willibald Eigner wurde aufgehoben. Schneeberger ist im Hypo-Aufsichtsrat, Eigner war es bis Jänner.
Nach dieser Auslieferung der beiden ÖVP-Männer können die Einvernahmen und Ermittlungen weitergehen; dazu gehören nun eben auch die Hausdurchsuchungen. Nicht nur Büros, auch an Privatadressen wurde gesucht, wie der Standard in Erfahrung gebracht hat.
Aquarius-Nachforschung
Die Causa Niederösterreich besteht aus mehreren Strängen. Zunächst hat die Justiz gegen Bankchef Peter Harold und seinen Exkollegen Richard Juill ermittelt. Man wirft ihnen vor, über den Ultimo 2008 Verluste rund um Lehman-Wertpapiere in die Liechtensteinischen Stiftung Lessika rund um Hans-Michael Schania und Michael Dirnegger ausgelagert zu haben. Danach wurde sie gegen Ankauf der billigen Anleihe Aquarius an die BNP weiterverkauft.
Dieser Deal, hinter dem rechtlich der Vorwurf der Bilanzfälschung und Untreue steckt, ist noch nicht ganz ausgeleuchtet - nach Unterlagen und Dokumenten wurde am Dienstag gesucht.
Schania und Dirnegger waren früher Gesellschafter von Aurelius Capital Management, und den Niederösterreichern geschäftlich eng verbunden. Die Investmentgesellschaft veranlagte bis Ende 2010 Gelder aus den Wohnbaudarlehen.
Die beiden Gesellschafter haben sich inzwischen getrennt; und die Aurelius-Nachfolgefirma Chrysos wird seit September liquidiert. Besuch von den Hausdurchsuchern bekamen aber auch die Chrysos-Leute am Dienstag.
Der zweite Strang an Vorwürfen, für dessen Untermauerung die Justiz nun noch nach Material gesucht hat, dreht sich um das irische Vehikel Augustus und einen 800-Millionen-Kredit. Wie berichtet hat die Hypo ausfallgefährdete Assets in das von ihr gegründete Special Purpose Vehicle (SPV) ausgelagert und selbigem für den Ankauf riskante Kredite (802 Mio. Euro) gegeben. Dabei hat die Bank selbst laut Justiz nur Wertpapiere im Volumen von 175 Mio. Euro gehalten, 600 Millionen seien vom Land gekommen. Warum die Hypo auch "dieses zusätzliche Risiko für das Land übernommen hat", das wollen die Ermittler nun klären. Die Aufsichtsräte sind unter dem Punkt Augustus der Beihilfe zur Untreue verdächtig, weil sie den Kreditbeschluss am 4. Dezember 2007 (über insgesamt 1,1 Mrd. Euro) mitgetragen haben.
Großzügiger Verzicht
Vergleichsweise gering ist der Schaden, den die Justiz bei der Restrukturierung des Augustus-Deals errechnet. Bei der Rückzahlung hätten die Banker "ohne wirtschaftliche Notwendigkeit" auf die Rückzahlung von 10,5 Mio. Euro verzichtet, so der Untreue-Vorwurf; dem Aufsichtsrat, der das im Mai 2010 gebilligt habe, werfen sie Beihilfe vor. Auch diesbezüglich haben die Fahnder nach Dokumenten gesucht.
Die Beschuldigten bestreiten die Vorwürfe seit jeher, und berufen sich unter anderem auf Expertisen ihres Wirtschaftsprüfers. ÖVP-Landtagsabgeordneter und Klubobmann Schneeberger berief sich schon anlässlich seiner Auslieferung auf Vorstand und Wirtschaftsprüfer, "die Vorwürfe werden sich in Nichts auflösen". (Renate Graber, DER STANDARD, 5.12.2012)