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Moskauer Flughafenpolizisten (hier auf einem Archivbild) nahmen Rasambek I. gleich hinter dem Gate fest.

Foto: REUTERS/Denis Sinyakov

Wien/Moskau - Als die unfreiwilligen Passagiere der Fly-Niki-Abschiebemaschine aus Wien vergangenen Mittwoch kurz nach 17 Uhr Ortszeit in Moskau den Gatebereich verließen, standen dort mehrere Uniformierte. "Gehören Sie zur Familie I.? Wir warten schon den ganzen Tag auf Ihren Mann", wandte sich ein Polizist an Raissa G., Ehefrau Rasambek I.s.

Raissa G. und ihre zwei minderjährigen Töchter waren im Flugzeug woanders gesessen als ihr Gatte und Vater. Als dieser dann das Gate durchschritt "haben sich die Polizisten sofort auf ihn gestürzt, ihn gefesselt und geknebelt, nach draußen getragen und in einen Wagen verfrachtet", erzählte die geschockte Frau G. Tim Außerhuber, Wiener Rechtsbeistand der tschetschenischen Familie, nachher am Telefon.

Seither seien Rasambek I.s Angehörige nicht über den Verbleib des 47-Jährigen informiert worden, schildert Außerhuber. Dass eine Abschiebung am Zielflughafen direkt in eine Festnahme münde, sei "ein menschenrechtlicher Skandal", sagt der Mitarbeiter des MigrantInnenvereins St. Marx.

"Immer wieder gewarnt"

Und Alev Korun, Menschenrechtssprecherin der Grünen, meint: "Diese Festnahme ist jener Fall, vor dem wir angesichts der Abschiebepraxis aus Österreich immer wieder gewarnt haben."

Rasambek I. sei 2007 als "politisch Verfolgter" nach Österreich gekommen, schildert Außerhuber. Im Asylverfahren gab er an, Anhängern des 2005 getöteten tschetschenischen Präsidenten Aslan Maschadow geholfen zu haben. Er habe für sie Videokassetten versteckt und sei von Maschadow-Gegnern verfolgt und gefoltert worden.

Asylantrag "rechtskräftig abgelehnt"

Die Asylbehörden glaubten ihm nicht. Ebenso wenig nahmen sie I. ab, schwer traumatisiert zu sein. Das wird dem Tschetschenen in einem dem STANDARD vorliegenden Kurzbericht des Wiener Therapiezentrums für Folteropfer Hemayat zwar eindeutig bescheinigt. Aber: "Eine andere Gutachterin stritt das ab", schildert Außerhuber: "Wir haben lang um Wiederaufnahme des Falls gekämpft und dies im November 2011 letztlich auch erreicht. Nur stoppt das eine Abschiebung nicht."

Der Asylantrag Rasambek I.s sei "rechtskräftig abgelehnt", meint in Wien denn auch Innenministeriumssprecher Karlheinz Grundböck. Dass der Tschetschene in Moskau gleich einkassiert wurde, sei eine russische Angelegenheit: Die Festnahme sei aufgrund eines dortigen Haftbefehls wegen KFZ-Diebstahls erfolgt.

Haftbefehl aus Westsibirien

In Moskau bestätigt das Flughafenpolizei-Sprecherin Julia Jermakowa. I. werde "wohl Autodiebstahl" im westsibirischen Ölförderungsgebiet vorgeworfen, erläutert sie. Er sei daher auf dem Weg ins Kaschira-Gefängnis, 115 Kilometer südlich von Moskau.

Der Haftbefehl gegen I. wurde am 27. Jänner 2012 im westsibirischen Chanty-Mansisk ausgestellt - auf Grundlage eines Suchbefehls vom März 2001. "Von einem Autodiebstahlvorwurf vor über elf Jahren haben I.s Angehörige noch nie etwas gehört", kommentiert Außerhuber. Auch dem Wiener Innenministerium sei all das unbekannt gewesen, sagt Ministeriumssprecher Grundböck: "Aber das tut nichts zur Sache. Für uns ist zentral: Die Ausweisung war zulässig." (André Ballin, Irene Brickner, DER STANDARD, 5.12.2012)