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Grafik: APA

Wien - Nach sechs Verhandlungsrunden einigten sich die Sozialpartner Mittwochabend auf einen neuen Kollektivvertrag für über eine halbe Million Beschäftigte im Handel: Angestellte und Arbeiter bekommen ab 1. Jänner 2013 2,98 Prozent mehr Gehalt, Lehrlinge 3,1 Prozent. Den Unternehmen kostet der Abschluss rund 500 Millionen Euro, "für die Unternehmen gerade noch vertretbar", sagte Arbeitgeber-Chefverhandler Peter Buchmüller. Gewerkschaftsverhandler Manfred Wolf sieht durch einen "Aufrundungsmechanismus den glatten Dreier erreicht".

Da Gehälter auf den vollen Euro aufgerundet würden, schaue für 90 Prozent der Handelsangestellten ein Plus von 3 Prozent heraus, so Wolf. Der Gewerkschafter sieht damit die zentrale Forderung nach einem Plus von 3 Prozent für alle erreicht. Für die Bewertung des Gehaltsabschlusses wurde eine Inflationsrate von 2,65 Prozent herangezogen.

Mehr als 500.000 Mitarbeiter in Österreich halten den Einzelhandel am Laufen. Gut 75 Prozent un- ter ihnen sind Frauen. Viele arbeiten unter prekären Bedingungen, die Fluktuation ist hoch, die Solidarität untereinander gering. Starke Filialisierung macht gemeinsames Vorgehen schwierig. Und die Zahl der Betriebsräte in Handelsketten ist in Relation zur Zahl der Beschäftigten vielfach gering.

Niedriglohnbranche

Der Einzelhandel sei eine Niedriglohnbranche, in der viel für wenig Geld gearbeitet werde, sagt Peter Schnedlitz, der als Buchautor eben die österreichische Handelsgeschichte aufarbeitete. Jeder Euro mehr, den die betroffenen Frauen erhielten, fließe direkt zurück in den Konsum. Er verstehe allerdings auch die Position der Arbeitgeber: Fachhändler wendeten bis zu 25 Prozent ihrer Kosten für Personal auf. Jedes Zehntelprozent mehr entscheide über Wohl und Wehe eines Betriebs.

Die Gewerkschaft pochte auf ein Gehaltsplus zwischen 3,4 und 3,5 Prozent. Arbeitgeber boten einen Dreier vor dem Komma nur für die untersten Einkommensebenen an. Wer monatlich mehr als 1628 Euro brutto verdient, sollte ab Jänner 2,85 Prozent mehr verdienen. Für Wolf ist das von einem fairen Abschluss weit entfernt. "Es reicht nicht."

"Ein Dreier vor dem Komma ist einfach nicht drinnen," warnte Stephan Mayer-Heinisch, Präsident des Handelsverbands. "Die fetten Jahre im Handel sind vorbei. Viele Unternehmen verdienen nichts mehr und lutschen die letzten Radiergummis aus." Auch unter den großen Ketten gebe es keine unsinkbaren Schiffe mehr. Hohe Gehaltsabschlüsse zögen Filialschließungen und Jobabbau nach sich. "In dieser Situation den starken Mann spielen zu wollen, ist nicht das Allerklügste."

Wolf sprach der Branche wirtschaftliche Turbulenzen nicht ab. Für Fehlentscheidungen des Managements könnten aber die Mitarbeiter nichts. " Die Probleme des Handels lassen sich nicht über die Lohnkosten lösen."

Realer Umsatzverlust

Österreichs Handel habe in den vergangenen sechs, sieben Monaten real und teilweise auch nominell an Umsatz verloren, rechnet Arbeitgebervertreter René Tritscher vor und verweist auf Untersuchungen der KMU-Forschung. Im Oktober habe es bundesweit Rückgänge gegeben. Er wolle seine Branche nicht krankjammern, viele Betriebe seien jedoch stark verschuldet. Die Formel "große Ketten, gute Erträge" gelte nicht mehr. Entscheidend sei, wer über gute Lagen und Frequenz verfüge.

Kommende Woche wollen die Sozialpartner über Rahmenrechte reden. Auf dem Tisch liegen alternative Regelungen zur Samstagsarbeit. So sollen künftig Dienste an mehreren Samstagen hintereinander erlaubt sein. Im Gegenzug könnten Handelsmitarbeiter Anspruch auf zehn verlängerte Wochenenden erhalten. Noch spieße es sich an Details wie Kontrolle und Sanktionsmöglichkeiten, erläutert Tritscher. "Wir sind hier jedoch auf einem guten Weg." (Verena Kainrath, DER STANDARD, 6.12.2012)