Berlin/Wien - In keinem Land Europas ist die Korruption nach Einschätzung von Transparency International so verbreitet wie in Griechenland. Mit nur 36 von 100 möglichen Punkten bildet das hochverschuldete Land laut dem am Mittwoch veröffentlichten Korruptionsindex für das Jahr 2012 das Schlusslicht in Europa. Österreich liegt mit 69 Punkten auf Rang 25 und damit gleichauf mit Irland. Im Jahr 2005 lag Österreich im weltweiten Ranking noch auf Rang zehn, im Vorjahr auf Platz 16. Österreich befindet sich aber hinter den USA mit 73 und Frankreich mit 71 Punkten, aber auch Chile und Uruguay (72 Punkte). Deutschland kommt mit 79 Punkten weltweit auf Platz 13.
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"Ruck nach unten" für Österreich
Für Österreich bedeutet dieses Ranking einen "deutlichen Ruck nach unten", wie es die Vorsitzende von Transparency International (TI) Österreich, Eva Geiblinger, formulierte. Überrascht sind die Korruptionsbekämpfer darüber nicht, hätten doch diverse Korruptionsfälle im Beobachtungszeitraum 2011 die Medien gefüllt. TI sieht aber auch Chancen für einen Aufwärtstrend. Entsprechende Maßnahmen habe die Politik bereits getroffen - Stichwort Transparenzpaket und Korruptionsstrafrecht. Diese könnten Österreich mittelfristig wieder weiter nach vorne verhelfen könnten, wenn sie denn "glaubwürdig" umgesetzt werden.
Dennoch hat die Politik noch nicht alle Hausaufgaben gemacht, meint man bei TI. Der frühere Rechnungshof-Präsident und Mitglied des Beirats des TI-Austrian Chapter, Franz Fiedler, trat einmal mehr vehement dafür ein, die Staatsanwaltschaften vom politischen Weisungsrecht zu befreien. Selbst wenn das Justizressort stets beteuere, kaum Weisungen auszusprechen und diese auch transparent zu machen, brauche es eine unabhängige Stelle. Die "oberste Weisungsspitze" dürfe nicht im Ministerium angesiedelt werden.
Regelung für "Whistleblower"
Die Platzierung in diesem Ranking sagt freilich nicht direkt etwas über den Korruptionsgrad aus. Vielmehr wird durch Auswertung internationaler Untersuchungen ermittelt, wie stark Korruption wahrgenommen wird. Das ist in Zeiten, in denen ein Skandal den nächsten zu jagen scheint, naturgemäß recht ausgeprägt. "Bis zu einem gewissen Grad wird die österreichische Politik auch für etwas bestraft, was teilweise in der Vergangenheit liegt", meinte Hubert Sickinger, ebenfalls im Beirat, denn auch. Ironie am Rande: Mitte der 2000er-Jahre lag Österreich auf Platz zehn. "Unverdient", meint er - und tatsächlich haben ja einige Affären, die derzeit noch ihrer Aufklärung harren, genau in jenem Zeitraum ihren Ursprung.
Karin Mair, auch sie Mitglied des TI-Beirats, konkretisierte die Forderung nach einer "umfassenden Regelung zum Schutz von Hinweisgebern in Korruptionsfällen". Die Kronzeugenregelung habe sich bereits bewährt; was fehle, seien konkrete Mechanismen, um Hinweisgeber zu schützen, die nicht in potenzielle Korruptionsfälle verwickelt sind. "Die meisten Whistleblower sind kurz nachdem sie einen Hinweis gegeben haben arbeitslos", so Mair. Daher müsse der "Whistleblower" gesetzlich definiert werden, zudem brauche es auch einen konkreten Kriterienkatalog, welche Hinweise unter die Regelung fallen sollen. Auch ein Imagewandel sei nötig: Bisher würden Hinweisgeber oft noch als "Vernaderer" gelten, dabei verdienten sie Respekt.
Dänemark, Finnland, Neuseeland an der Spitze
Am unbestechlichsten weltweit sind dem Index zufolge Mitarbeiter im öffentlichen Sektor in Dänemark, Finnland und Neuseeland. Alle drei Staaten landeten mit 90 Punkten an der Spitze der Liste. Die Schlusslichter sind Afghanistan, Nordkorea und Somalia, die es nur auf acht Punkte schaffen.
Transparency International forderte die europäischen Staaten auf, das Problem der Bestechlichkeit in der Verwaltung anzugehen, um die Finanzkrise zu lösen. Griechenland teilt sich mit Ländern wie Kolumbien oder Dschibuti den 94. von insgesamt 174 Plätzen und ist das am schlechtesten bewertete EU-Land. Italien kam mit 42 Punkten auf Platz 72 weltweit bzw. in Europa auf den drittletzten Platz. Italien war damit in puncto Korruptionsbekämpfung auf dem gleichen Stand wie Bosnien-Herzegowina.
Spanien im Mittelfeld
Die ebenfalls krisengebeutelten Staaten Spanien und Portugal schaffen es ins Mittelfeld, gefolgt von mittel-osteuropäischen Staaten. Spanien belegt mit 65 Punkten Platz 30, Portugal liegt mit 63 Punkten auf Rang 33. Bulgarien und Montenegro nehmen europaweit den zweitschlechtesten Rang ein, weltweit den 41. Platz.
Auch nach dem Arabischen Frühling ist Korruption der Untersuchung zufolge in der Region weiter ein Problem. So erhielt Ägypten nur 32 Punkte für seine Korruptionsbekämpfung und belegte damit den 118. Platz. Tunesien landete mit 41 Punkten auf Platz 75, der Jemen mit 23 Punkten auf Rang 156.
"Die Regierungen müssen Anti-Korruptions-Maßnahmen bei allen staatlichen Entscheidungsprozessen einbeziehen", forderte die Vorsitzende von Transparency International, Huguette Labelle. Besonders wichtig seien bessere Regeln für Lobby-Arbeit und Parteienfinanzierung sowie die Offenlegung staatlicher Ausgaben und Auftragsvergaben. Der diesjährige Index zeige, dass "Gesellschaften weiter einen hohen Preis für Korruption bezahlen", kritisierte Labelle.
Der Index ermittelt, wie korrupt die öffentliche Verwaltung in einem Land ist. Er gründet auf Studien und Einschätzungen renommierter unabhängiger Institute. Fallzahlen von Bestechlichkeit in öffentlichen Ämtern dagegen lassen nach Angaben von Transparency International keine eindeutige Bewertung zu. Sie belegten lediglich, wie effektiv die Staatsanwaltschaft, die Gerichte oder die Medien eines bestimmten Landes bei der Aufdeckung von Korruption sind. (APA/Reuters, 5.12.2012)