Cyberkriminalität auf dem Vormarsch: Bei einigen Delikten ist ein Anstieg von 400 Prozent zu erwarten.

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Wien - Am Mittwoch präsentierte die Polizei den Kriminaljahresrückblick 2012. Aus statistischer Sicht erwartet die Polizei keine allzu spektakulären Ausreißer, wenn man von dem relativ jungen Deliktsfeld Cybercrime mit Steigerungsraten bis zu 400 Prozent absieht. 

Morde passieren im engsten Umkreis

2011 gab es in Österreich 166 Morde und Mordversuche, bisher Schlusspunkt eines kontinuierlichen Anstiegs ab dem Jahr 2008, als mit 101 bekannt gewordenen Fällen die wenigsten der vergangenen Dekade verzeichnet wurden. 2002 waren es 168 Fälle, 2004 sogar 170.

"Mord ist ein Delikt, das zu 75 Prozent im sozialen Umfeld passiert", sagte Franz Lang, Direktor des Bundeskriminalamts (BK). Er wies auf das Gewaltschutzgesetz hin, mit dem es gelungen sei, größere Steigerungsraten hintanzuhalten. "Das Fatale an der Gewaltkriminalität ist, dass es immer eine Entwicklungsphase gibt. Und immer haben Geschulte einzelne Segmente gesehen", erklärte Lang. Er nannte als Beispiele Lehrer, Haus- und Ambulanzärzte, Polizisten und Jugendämter. "Wenn wir die alle zusammenbringen, würde man eine aufkeimende Krise sehen. Deshalb gibt es das Bündnis gegen Gewalt", erläuterte er.

Einer der spektakulärsten Fälle heuer war der Mord an dem Wiener Wirtschaftsanwalt Erich Rebasso, den das Wiener Landeskriminalamt zu bearbeiten hatte. Wegen der Ermittlungen, die nach Russland führten, war aber auch das BK massiv eingebunden. Lang wies in diesem Zusammenhang auf wiederholte Verknüpfungen zwischen wirtschaftlichen Kontakten im Osten und Gewaltdelikten hin.

Das Bundeskriminalamt nahm sich neben aktuellen Fällen auch weiter lange zurückliegende Causen vor. Julia Kührer und Heidrun Wastl, eine seit 2001 vermisste Kindergartenhelferin aus Wiener Neustadt, in deren Fall ein Verdächtiger in Haft sitzt, sind zu nennen. Aber auch bei den Ermittlungen zu einer 2005 in Innsbruck in einer Telefonzelle erstochenen Studentin hofft das BK auf neue Ansätze. Für die Untersuchungen werden öfters Spezialisten aus dem Ausland beigezogen, so Lang.

Mehr schwere Raubüberfälle

Bei den Anzeigen nach Paragraf 142 StGB (Raub) war in den ersten neun Monaten österreichweit ein leichter Rückgang gegenüber dem Vergleichszeitraum 2011 zu verzeichnen, beim Paragraf 143 (schwerer Raub) war es ein Anstieg um 8,3 Prozent.

Zu den spektakulärsten Straftaten des Jahres 2012 zählten die Überfälle auf Juweliere, von denen in Österreich in den ersten neun Monaten mit 22 um acht mehr als im Vergleichszeitraum des Vorjahres registriert wurden. Viele davon sollen auf das Konto einer weltweit agierenden Bande, den "Pink Panthern", gehen. Laut Lang handelt es sich dabei um lose Netzwerke, deren Mitglieder aus fünf bis sechs Städten in Serbien und Montenegro stammen. In Österreich seien im wesentlichen zwei Hierarchieebenen tätig: die Kundschafter und Logistiker sowie die Tatausführenden, die im Hochrisikobereich agieren und meist ganz junge Männer sind.

Ein Problemfeld beim Raub sei durch eine Gemeinsamkeit auf der Täterseite gekennzeichnet, betonte der BK-Direktor. In vielen Fällen geht es um Beschaffungskriminalität aus einer Sucht heraus: Drogenabhängigkeit, Spielsucht, aber auch Konsumsucht. Lang kündigte an, dass das Bundeskriminalamt in diesem Bereich 2013 einen Schwerpunkt setzen wird. 

Naivität als Nährboden für Cybercrime

Die größten Steigerungsraten 2012 wird das Bundeskriminalamt auf dem Gebiet des Cybercrime verzeichnen. Zwischenresultate signalisieren bei manchen Delikten einen Anstieg um bis zu 400 Prozent. Verglichen mit vor zehn Jahren gebe es laut dem Sicherheitsdirektor "die zehnfache Zahl an Usern, eine Masse sehr naiver User." Kriminelle würden einen unglaublichen Markt mit Benutzern treffen, die sich nicht um ihre Sicherheit im Web kümmern bzw. Gefahren gar nicht wahrnehmen.

Perfekt nachgebaute Homepages von Kreditkartenunternehmen, die bestellte, bezahlte, aber nicht gelieferte Ware, oder das zwar gelieferte, teure, aber minderwertige Produkt sind typische Deliktsformen. Für Klagen gebe es dann den "Gerichtsstandort irgendwo", so Lang. Um Cyberkriminalität effektiv zu bekämpfen, bedarf es internationaler Vernetzung.

Auf dem Gebiet der Cyberkriminalität gab es heuer nicht nur gegen Kinderpornoringe spektakuläre Amtshandlungen. So flog im April ein erst 15-Jähriger aus Niederösterreich auf, der die Computer von 259 Firmen geknackt hatte und laut BK als einer der 50 besten Hacker weltweit galt. Unter seinen Opfern befanden sich Weltkonzerne mit berühmten Namen. Gegen Kinderpornoringe liefen unter anderem die Operationen "Carole" und "Gondola". Bei zweiterer ging den Fahndern ein Kärntner ins Netz, der sich an den Nachbarskindern vergangen haben soll.

Kurspreise begünstigen Buntmetalldiebstähle

Dass jeder Kupfer oder Altmetall ohne Identitätsnachweis oder Herkunftsnachweis für das verkaufte Gut verkaufen kann, sei ein Kernproblem im Kampf gegen Buntmetalldiebe. "Bei uns liegt das Diebsgut auf der Straße zum Abholen bereit. Oder zum leichten Abmontieren", sagte Lang. In den ersten neun Monaten 2012 wurden 1.182 Anzeigen registriert, im ganzen Jahr 2011 waren es 1.569.

Laut Lang ist bei der Zahl der Fälle eindeutig eine Korrelation mit dem Weltmarktpreis für Kupfer gegeben. "Es gibt keine Indikatoren, dass die Kupferpreise sinken werden. Daher werden wir uns auf diese Kriminalität einstellen müssen." Die Täter kämen vor allem aus Ungarn, der Slowakei und Rumänien, so das BK, und handelten aus wirtschaftlicher Not. (APA/red, 5.12.2012)