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Glück ist wichtig, aber man sollte es nicht zu wichtig nehmen, meint die Forscherin.

Foto: EPA/Lopez

Standard: Glück hat sich zu einem Wirtschaftsfaktor entwickelt. Mit Coaching, Therapien und Büchern wird ein enormes Geschäft gemacht. Wie erklären Sie sich diesen Boom?

Laszlo: Es gibt mehrere Faktoren. Zum einen ist die Welt kleiner geworden. Früher haben wir uns nicht mit der gesamten Welt verglichen, heute vergleichen wir uns mit Weltbestwerten. Als Gesellschaft akzeptieren wir auch nicht mehr Dinge, sondern es wird uns eingeredet, dass wir für alles selbst verantwortlich sind und alles veränderbar ist. Dafür versprechen die Ratgeber eine schnelle Lösung. Die Leute glauben, dass diese Bücher funktionieren, weil sie wollen, dass es ihnen so geht, wie sie denken, dass es ihnen zusteht.

Standard: Inwiefern sind die Tipps in den vielen Büchern glaubwürdig?

Laszlo: Einige Dinge, die darin vorkommen, sind leider Scharlatanerie. In einigen Büchern steht etwa "Machen sie das und dann sind sie glücklich". Zum Beispiel: "Gehen Sie durch ihren Freundeskreis und werden Sie alle ‚negativen‘ Menschen los." So funktioniert Glück nicht und kann leicht in Verblendung abrutschen, weil man etwa kritische Menschen, die das Beste für einen im Sinn haben, als negativ abstempelt und ausblendet. Glück ist nicht etwas, das man sich mit einfachen Regeln aus Ratgebern dauerhaft herbeiwünschen kann.

Standard: Sie arbeiten als Glückforscherin am Institut für Europäische Glücksforschung. Womit genau befasst sich ein Glücksforscher?

Laszlo: Die Glücksforschung ist eine fächerübergreifende Wissenschaft. Ich schaue mir nicht nur Glück an, sondern auch Faktoren wie Wohlbefinden, Zufriedenheit und soziale Umstände. Als Glücksforscher untersuche ich zum Beispiel auch, welche Umstände beziehungsweise welche optimalen Rahmenbedingungen ein Mensch braucht, damit er glücklich ist.

Standard: Kann man Glück messen?

Laszlo: Ja. Es gibt verschiedene Möglichkeiten. Man kann es klassisch sozialwissenschaftlich etwa mit Befragungen messen. Der Nachteil dieser Methode ist aber, dass ich hauptsächlich nur Glücksauslöser messe. Glück selbst kann man seit neuestem über die Gehirnforschung messen, die veranschaulicht, welche Prozesse beim Glücksgefühl im Gehirn vorgehen.

Standard: Wer definiert Glück?

Laszlo: Jeder muss für sich selbst die Glücksauslöser definieren. Es gibt kein Geheimrezept. Die Voraussetzungen sind bei jedem Menschen unterschiedlich. Manche verwechseln Glück mit Wohlbefinden oder Zufriedenheit. Das sind Dinge, die länger andauern als Glück, das ein Prozess in uns ist, der nur im Moment erfahrbar ist. Glück ist kein Dauerzustand. Danach zu suchen und zu erwarten, ewiges Glück zu finden, ist also sinnlos.

Standard: Ändert sich Glück?

Laszlo: Nein, Glück ist immer das Gleiche. Aber die Auslöser ändern sich mit jedem Mal, mit dem ich glücklich bin oder glücklich gemacht werde. Neue Dinge machen uns zum Beispiel glücklich. Glück ist in mir, wird aber in vieler Hinsicht durch äußere Umstände ausgelöst, etwa durch mein Umfeld. Wenn sich die Umstände ändern, ändert sich auch das Glück. Glück ist auch sozial. Wir hängen von anderen Menschen und von deren Glück ab. Daher funktioniert es nicht, nur aufs eigene Glück aus zu sein. Man sollte stattdessen eine Balance zwischen dem eigenen Glück und jenem der anderen finden, also auch seine Mitmenschen glücklich machen.

Standard: Warum ist Glück wichtig?

Laszlo: Glück ist wichtig, aber man sollte es nicht zu wichtig nehmen. Glück wurde in letzter Zeit damit gleichgesetzt, dass man immer fröhlich und positiv sein soll. Dieser Positivwahn kann sogar gefährlich sein, wenn alle negativen Gefühle weggeschoben werden, die ebenfalls ihre Daseinsberechtigung haben. Der Mensch braucht sogar den Kontrast zum Unglück, um Glück zu erfahren. Viel Glück entsteht zum Beispiel, wenn etwas ganz schlecht war und unerwartet auf einmal positiv wird.

Standard: Ist Glück immer gleich wichtig, oder wird es in einer Krise wie jetzt wichtiger?

Laszlo: Es wird definitiv wichtiger. Viele Menschen haben in dieser Zeit einen hohen Bedarf, etwas Glückliches zu sehen oder zu erfahren. Das ist im Zusammenhang mit dem Boom der Glücksbücher zu sehen. Je schlechter es den Menschen geht, desto eher brauchen sie eine Wunderpille oder Wunderwuzzis mit einer einfachen Lösung.

Standard: Hat Glück überall dieselbe Bedeutung?

Laszlo: Nein. Unsere Kultur ist extrem auf Glück fixiert. In Asien geht es zum Beispiel vielmehr um Ausgeglichenheit. Dort wird auch das Glück des Kollektivs im Gegensatz zum Glück des Einzelnen höher bewertet. Sie scheinen nicht so glücksnarrisch zu sein und nehmen allgemein das Glück nicht so wichtig wie die westliche Kultur.

Standard: Wie wird man glücklich?

Laszlo: Das kommt auf die persönlichen Umstände an. In einer Kultur, die den Einzelnen und unsere "alles bestimmende" Wahl zelebriert, wäre ein Weg, überzogene Erwartungen nach dem Glück zurückzuschrauben. Das Problem mit dem Glück ist, dass Menschen von Natur aus immer mehr wollen, vor allem für sich selbst. Aber mehr von einer Sache bedeutet nicht im selben Verhältnis mehr Glück. Das eigene Glück hängt vielmehr mit dem Glück der anderen zusammen. Es geht aber nicht nur um Glück im Leben, sondern vielmehr um ganz andere Dinge, wie lernen, wachsen und einfach leben. Aufs Leben wird zu oft vergessen, wenn man nur auf die Suche nach dem Glück fixiert ist. (David Donnerer, DER STANDARD/PORTFOLIO, 5.12.2012)