Die ÖBB-Signale für den Schnellbahnzug Desiro ML von Siemens - hier eine Designstudie - stehen wieder auf Rot.

Foto: Siemens AG

Kaum im Anrollen, kommen die hundert Nahverkehrszüge, die der ÖBB-Personenverkehr bei Siemens kaufen will, ins Stocken. Da es sich beim Kaufvertrag spießt, beschloss der ÖBB-Aufsichtsrat, Ende Jänner einen neuen Anlauf zu nehmen.

 

Wien - Die ÖBB hat am Dienstag bei der Anschaffung von hundert Nahverkehrszügen für Wiener Schnellbahn und Verkehrsverbund Ostregion die Notbremse gezogen. Der bereits im November akkordierte und mit der Führung von Siemens Österreich paraphierte Kauf von hundert Elektrotriebwagen des Typs Desiro ML wurde überraschend gestoppt. Das erfuhr der Standard von mit der Anschaffung vertrauten ÖBB-Aufsichtsratskreisen.

Auch die ÖBB-Holding-Aufsichtsratssitzung am 11. Dezember, in der die auf rund 550 Millionen Euro taxierte Jahrhundertanschaffung beschlossen werden sollte, wurde abgesagt. Als Gründe für die ungewöhnliche Entscheidung werden in gut informierten Kreisen mangelhafte Unterlagen, nicht stichhaltige Begründungen genannt. Bis Ende Jänner habe sich das Aufsichtsratspräsidium "eine Nachdenkpause" samt weiteren Verhandlungen verordnet, heißt es.

Bahn schweigt über Details

Die ÖBB-Holding bestätigt die Verschiebung. "Die Entscheidungsgrundlagen sind derzeit noch nicht ausreichend. Es gibt noch ein paar offene Punkte auf die wir von Siemens warten", teilte ÖBB-Sprecherin Sonja Horner auf Standard-Anfrage mit. Da die Unterlagen für die Aufsichtsratsmitglieder eine Woche vor der Sitzung versendet werden müssen, habe man sich zur Verschiebung der Entscheidung entschlossen. "Wir müssen ja ausreichende Entscheidungsgrundlage präsentieren. Die Verschiebung hat also den Grund, noch ausständigen Punkte sorgfältig prüfen zu können", sagt die ÖBB-Sprecherin.

Wo es sich im Detail spießt, darüber schweigt die Bahn. Dem Vernehmen geht es um den Umfang von Wartungsvertrag und Assembling. Wie berichtet, will die Bahn die Züge teilweise in ihren Werkstätten bauen. Auch von Interventionen anderer Hersteller ist die Rede, mit denen die Verhandlungen mit Siemens diskreditiert werden sollen, um eine Neuausschreibung des Rahmenvertrags aus 2010 zu erwirken.

Genau geprüft wird auch eine andere Baustelle: Wartung und Instandhaltung von Güterzugwagons in den ÖBB-Werkstätten in Wien und der Slowakei werden nach der Güterzugentgleisung in Brixen im Juni von der Konzernrevision zerlegt. Wie berichtet, verweigern italienische Behörden 2000 ÖBB-Güterwagons die Einreise. Nun fühlt die Revision ihrer Werkstättentochter ÖBB-Technische Services und deren Tochter TS Sovakia bei der Wagonfabrik ZOS in Trnava auf den Zahn. Der Bericht soll bis 21. Dezember fertig sein. (Luise Ungerboeck, DER STANDARD, 6.12.2012)