Graz - Mit fünf Freisprüchen und fünf Schuldsprüchen endete am Mittwoch der Prozess wegen NS-Wiederbetätigung gegen zehn Männer in Graz. Die höchste Strafe bekam mit 24 Monaten, davon 16 bedingt auf drei Jahre, der bekannte oststeirische Rechtsextreme Franz Radl. Der 45-Jährige wurde beschuldigt, mit einigen der anderen, deutlich jüngeren, Männer NS-Propaganda durch Aufkleber vor Schulen betrieben zu haben und eine Homepage für seinen Freund, den Holocaustleugner Gerd Honsik, betrieben zu haben. Staatsanwalt Johannes Winklhofer hatte in seinem Schlussplädoyer über Radl gesagt, dieser sei ein "nationalsozialistischer Politiker, der neue Nazis heranzieht und eine außerordentliche Gefährlichkeit hat".

Radls Verteidiger sah in ihm nur einen "Hamster von Nazi-Devotionalien" , der zwar einschlägige Bücher und Aufkleber sammle und Hitlers Bild zu Hause hängen habe, sich aber nicht im Sinne des Verbotsgesetzes schuldig mache. Die Medien hätten aus ihm vor Jahrzehnten den "steirischen Obernazi" gemacht.

Radl selbst meinte in seinen Schlussworten theatralisch: "La commedia e finita", die Vorwürfe seien in "Schall und Rauch" verpufft. Wenn man ihn aber wegen seiner "Gesinnung" verurteilen wolle, "dann geben Sie mir lebenslänglich", bat Radl.

Nach der Urteilsverkündung sagte Radl in Richtung Geschworenenbank: "Ich verzeihe Ihnen!" Nachsatz: Er werde "alle Rechtsmittel ausschöpfen". Radl meine damit eine "Nichtigkeitsbeschwerde", kommentierte das sein Anwalt trocken.

Wegen gewaltsamer Übergriffe und dem Schreien von Nazi-Parolen in einem Grazer Studentenlokal in der Nacht vom 30. Jänner 2010 und bei einem Public Viewing anlässlich der Fußball-WM 2010 wurden vier weitere Männer verurteilt. Der von Winklhofer als "Leitwolf" beschriebene Richard P., ein ehemaliger Funktionär des Rings Freiheitlicher Jugend (RFJ), fasste mit einem Jahr bedingter Haft die zweithöchste Strafe aus. P. hatte wie fast alle Männer keine Reue gezeigt und sich mit Richter Raimund Frei wiederholt Wortgefechte geliefert. Drei Männer wurden mit drei bzw. acht Monaten bedingter Haft - teils wegen ihrer Jugend - milder gestraft.

Die Brüder Christian und Stefan J. (beide ebenfalls aus dem RFJ) wurden freigesprochen, weil Zeugenaussagen zu wenig genau waren und eine Freundin einem der beiden ein Alibi gab. Zwei weitere Angeklagte wurden ebenfalls aus Mangel an Beweisen freigesprochen. Einer von ihnen, ein Kickboxer, der nun Abendmatura macht, trieb sich über Jahre in der rechten Szene herum. Er bat angesichts seiner schwangeren Frau im Saal die Geschworenen um eine "zweite Chance", damit er sich "in Freiheit um sie kümmern kann".

Dem Prozess, der im Mai begann, ging bereits einer wegen schwerer Körperverletzung voraus, bei dem bereits sechs der Männer - nicht rechtskräftig - verurteilt wurden. (Colette M. Schmidt, DER STANDARD, 6.12.2012)